Dienstag, 8. Juli 2014

Kirchenschwedisch - ein bisschen Fachvokabular für Interessierte

(c) kirchengeschichten.blogspot.de - Tack mamma för den fina bilden ;-).

In NRW sind die Sommerferien gerade losgegangen, und so manche Ferienfreizeit führt nach Schweden. Woher die unleugbare Sympathie für dieses Land unter Kirchenmenschen kommt, harrt noch einer genaueren Untersuchung; meine Arbeitshypothese ist, dass Schweden seit den 1970ern ein beliebtes Reiseziel gerade für Familien aus einem bildungsbürgerlichen und/oder alternativen Milieu gewesen ist und viele Pfarrer_innen und andere Hauptamtliche dort als Kind gewesen sind. Aber das sind Vermutungen, um die es jetzt auch gar nicht geht. Jedenfalls: Manch Eine_r hat sich ja vielleicht im Vorhinein ein paar Sätze in der Landessprache reingepaukt. Den oft in Reiseführern zu lesenden Satz, dass „die Schweden sich sehr freuen, wenn man sich die Mühe macht, ihre Sprache zu sprechen“, möchte ich an dieser Stelle ein bisschen relativieren: Natürlich hat es etwas mit Höflichkeit zu tun, dass man nicht einfach auf Leute zuläuft und sie auf Deutsch vollquatscht. Von daher ist es sicherlich gut und richtig, wenigstens ein paar Standardphrasen dreschen zu können, allen voran richtig und oft „Danke“ (tack) zu sagen – das tun Schwed_innen nämlich gewohnheitsmäßig weitaus öfter als Deutsche oder andere Kontinentaleuropäer. Nur: Die meisten Einheimischen können besser Englisch als die meisten Deutschen, und wahrscheinlich auch besser Deutsch als sie Schwedisch. Von daher sollte man sich nicht täuschen lassen, selbst wenn das Gegenüber artig bekundet, dass man ja sehr gut Schwedisch könne, wartet er oder sie meist darauf, in eine Sprache zu wechseln, in der die Kommunikation flüssiger läuft. Aber für alle, die schon ein bisschen was können, denen aber das Vokabular fehlt, um aus der eigenen Berufs- und Lebenswelt zu erzählen, gibt es hier einen kleinen Ausflug ins Kirchenschwedische. Vielleicht wird das bei Bedarf und Interesse auch noch einmal ausgebaut, mal sehen. Ein bisschen was an Grundlagenwissen ist vorausgesetzt, d.h. ich erspare mir in den meisten Fällen Hinweise zu Aussprache und Grammatik. Jetzt aber los. 

Kirche und Gemeinde 

„Kirche“ kann im Deutschen ja so einiges meinen: Das Gebäude, die Institution, das theologische Konzept. Im Schwedischen ist es zum Glück genau so, und es gibt auch nur ein Wort: kyrka, auf Hinweisschildern und Landkarten oft als k:a abgekürzt. Wenn sie größer und Sitz eines Bischofs (biskop) und damit die Hauptkirche einer Diözese (stift) ist, dann domkyrka. Gerade in ländlichen Gebieten liegt um die Kirche herum der kyrkogård (wörtlich: „Kirchhof“), also der Friedhof. Ähnliches gilt für das Wort Gemeinde (församling), damit kann eine kleinere Verwaltungseinheit innerhalb einer Religionsgemeinschaft (samfund), aber auch die konkret versammelte Schar von Gottesdienstbesucher_innen gemeint sein. Im Gegensatz zum Deutschen ist damit aber nie die Kommunalgemeinde gemeint. Eine Gemeinde kann ihrerseits in mehrere Bezirke (distrikt) aufgeteilt sein, und ist Teil eines Kirchenkreises (kontrakt), der vom Superintendenten (kontraktsprost) geleitet wird.

Billdals kyrka am Rand von Göteborg - "meine" alte Kirche. Bild: stefanity@photobucket.com


Berufe und Personen 

In der Gemeinde leben und arbeiten eine Reihe von Menschen. Zum Beispiel Pfarrerinnen und Pfarrer, beide nennt man (weil in Schweden Berufsbezeichnungen grundsätzlich unisex sind) präst, also wörtlich „Priester“, und das ist in der Tat auch so gemeint, weil sie, ähnlich wie ihre anglikanischen Kolleg_innen, geweiht werden. Deswegen spricht man auch von prästvigning, nicht von „Ordination“. Das Wort pastor gibt es natürlich auch, klingt aber sehr nach Freikirche (frikyrka). 
Innerhalb der Priesterschaft wird je nach Aufgabe weiter differenziert: Der oder die kyrkoherde (wörtlich „Kirchenhirte“) ist so etwas wie ein hauptamtlicher Presbyteriumsvorsitzender; sie sitzt im Kirchenvorstand (kyrkoråd), der etwas anders gewählt wird als in Deutschland, und ist Chef oder Chefin der gesamten Gemeinde. Wenn es in einem Bezirk mehrere Pfarrer_innen gibt, ist eine den anderen übergeordnet und heisst dann distriktspräst, ansonsten spricht man von komminister (mit Betonung auf dem letzten „i“). In der Regel sind die Pfarrerinnen am Kollarhemd (frimärksskjorta) erkennbar, aber hier muss man auf die Farbe gucken: Ist das Hemd grün, handelt es sich um einen diakon, ist es in Rot- oder Lilatönen gehalten, hat man eine Bischöfin (biskop), vielleicht sogar die Erzbischöfin (ärkebiskop) vor sich sitzen. Die stammt allerdings aus dem westfälischen Herdecke und wird deutsch mit einem sprechen. 



Bevor man geweiht wird, studiert man Theologie (läsa teologi) und macht eine Ausbildung am Predigerseminar (pastoralinstitut), entweder in Lund oder Uppsala. Danach ist man Vikarin oder Pfarrer z.A. und arbeitet zunächst mit reduzierter Stundenzahl als pastorsadjunkt. Übrigens haben auch in Schweden die Assessmentcenter Einzug gehalten, jede_r angehende Theolog_in muss an einer uttagningskonferens teilnehmen.

Daneben gibt es natürlich eine Reihe anderer Berufsgruppen: Im Gemeindebüro (församlingsexpedition) sitzen Sekretäre (sekreterare), kamrer (Verwaltungsmitarbeiter), manchmal auch ein klockare, also ein „Glöckner“. Ursprünglich war das eine Art Küster oder Mesmer, gerade an der Westküste hat aber die traditionelle Aufgabe des Kollektenzählens Überhand genommen, sodass der Glöckner hier eine Art Schatzkirchmeister ist. Der Küster heißt schlicht vaktmästare, also „Hausmeister“. Auf dem Gemeindeamt haben aber auch andere Mitarbeitende ihr Büro, etwa die Organisten und/oder Kantoren (heißen genauso), also die Kirchenmusiker (kyrkomusiker). Daneben gibt es in der Regel auch Gemeindepädagogen (församlingspedagog), mit ähnlichen Aufgaben befasst sind die „Gemeindeassistenten“ (församlingsassistent). Oft gibt es einen Kindergarten (förskola) mit entsprechendem Personal (förskollärare). 

Im Gottesdienst 

Gottesdienst (gudstjänst, mit kurzem „u“) wird meist mehrfach wöchentlich gefeiert, allerdings differenziert man hier ähnlich wie in der katholischen Kirche: Streng genommen meint gudstjänst den Wortgottesdienst, ansonsten spricht man auch hier von Messe (mässa), und da von Wochenmesse (veckomässa), wenn sie alltags, von Hochamt (högmässa), wenn sie sonntags stattfindet. Den Anfang macht meist ein Lektor (kyrkvärd), der die Anwesenden begrüßt und zu Gebet und Stille einlädt („Nu stillar vi oss inför gudstjänsten“). Dann ziehen unter stehendem Gemeindegesang die Hauptbeteiligten ein, meist geht ein Jugendlicher mit Tragekreuz voraus, dann folgen die Übrigen, am Ende der/die Liturg/in mit dem Abendmahlsgeschirr. Man verneigt sich vor dem Altar (altare), dann geht jeder an seinen Platz. Gebete werden in der Regel mit dem Rücken zur Gemeinde gesprochen, Lesungen und Predigt (predikan) von Ambo (heißt auch so) oder, falls vorhanden, von der Kanzel (predikstol) aus. Zum Abendmahl (nattvard) begibt man sich zum Altarring (altarring), meist wird die Kommunion kniend empfangen, in Kombination mit Wandelkommunion: Wer fertig ist, steht auf und macht Platz für den Nächsten, der dann Brot und Wein (bröd och vin) empfängt. In Schweden werden fast durchgehend glutenfreie Oblaten gereicht und starker Wein bevorzugt, etwa Marsalla). 

Am Schluss spricht der Liturg den aaronitischen Segen (välsignelse), mit trinitarischem Schluss und Kreuzzeichen (korstecken), danach ziehen alle wieder aus. Die Kinder sind während des Großteils des Gottesdienstes meist im Kindergottesdienst (söndagsskola). Das Vaterunser (Herrens bön) existiert momentan in zwei Varianten, einer älteren (Fader vår) und einer jüngeren (Vår fader), wobei letztere nach einer längeren Übergangszeit auch in den Auslandsgemeinden nun eingeführt wird. Wer sich mal einen schwedischen Gottesdienst angucken möchte, kann das entweder in den vier Auslandsgemeinden in Deutschland (Berlin, Frankfurt, Hamburg, München) tun, oder sich einen Fernsehgottesdienst im Internet angucken - www.svt.se/gudstjanst/.

(c) Arne Hyckenberg / dagen.se

Ein absolutes Muss ist das Kirchenkaffee hinterher (kyrkkaffe), bei dem es meistens mehr zu essen gibt als die in Deutschland üblichen Kuchen und Plätzchen (kakor); meist steht Brot, Butter, Käse und Marmelade auch bereit. Gesungen wird natürlich auch, das Gemeindelied heißt psalm und steht im psalmbok; wenn man die biblischen Psalmen betet, spricht man vom psaltarpsalm (das „p“ wird in beiden Fällen nicht gesprochen).

Die liturgische Gewandung in Schweden entspricht weitestgehend der in der anglikanischen Kirche: Zum Gottesdienst trägt man alba und stola, vor dem Abendmahl wird eine Kasel (mässhake) übergestreift. Es gibt auch Talar (kaftan) und Beffchen (elva), diese finden aber höchstens noch bei Beerdigungen (begravning, jordfästning) Verwendung. In Wortgottesdiensten wird auch oft Rochette (röcklin) mit Stola getragen. Zu besonderen Alltagssituationen haben die Kolleg_innen neben dem Kollarhemd noch eine andere Option: In Schweden ist es noch vielerorts üblich, bei Einladungen einen Dresscode (klädkod) auszugeben. Bei hohen diplomatischen oder akademischen Feiern, manchmal auch bei Hochzeiten, wird hier högtidsdräkt gefordert, also noch eine Stufe über der Abendkleidung. Konkret heißt das: Frack und Ballkleid, oder aber Gesellschaftsuniform, Volkstracht – und bei Pfarrerinnen und Pfarren, sofern vorhanden, Lutherrock (prästrock).

Andere Aktivitäten 

Auf jeden Fall gibt es Konfirmandenunterricht (konfirmandundervisning), wenn man in diesem Rahmen auf Freizeit fährt, nennt man das (konfirmand-)läger. Und mitunter gibt es auch Sommerfreizeiten, die nennt man entsprechend sommarläger. Oft sind hier jugendliche Teamer beteiligt, so genannte konfirmand- oder hjälpledare. Interessanter Weise gibt es im Schwedischen kein direktes Wort für „ehrenamtlich“, deswegen spricht man meist von frivillig, freiwillig. In einer singenden Nation wie Schweden gibt es natürlich den einen oder anderen Chor (kör), zum Beispiel einen Kinder- oder Jugendchor (barnkör, ungdomskör). Auch in Schweden gibt es natürlich die eine oder andere Sitzung (möte). 


Soweit erstmal. Wie gesagt, bei Interesse demnächst mal mehr!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen