Freitag, 24. November 2017

Der berühmte Fragebogen - abschiedliches Leben üben


Vor ein paar Tagen hat die EKiR-Onlineredaktion einen Artikel geschrieben, in dem es, im weitesten Sinne, um Beerdigungsvorsorge und damit auch um Tod, Trauer und abschiedliches Leben generell geht (hier kann man den lesen). Und darum, wie damit individuell und kollektiv umgegangen wird. 

In dem Artikel ist von einem Fragebogen die Rede, die ich manchmal mit Gemeindegruppen ausfülle. "Wie stelle ich mir meine eigene Beerdigung vor?" ist eine Frage, die für Konfis einen anderen Sitz im Leben hat als für den Seniorenkreis, die aber in jedem Fall zu interessanten Gesprächen Anlass bietet. Wer das Ende plant, kommt nicht umhin, über das Davor nachzudenken, zu gewichten und zu entscheiden: Was soll bleiben, was geht mit mir, was hinterlasse ich? Für die juristischen Seiten dieser Frage, mittlerweile auch für die elektronischen, gibt es Daten- und sonstige Testamente. In Schweden bin ich in einem Praktikum auf das Weiße Archiv (vita arkivet gestoßen), ein Portal, wo man sein "spirituelles Testament" hinterlassen kann, so etwas wie ein "Drehbuch für den eigenen Tod" (Deutschlandfunk). Eine alte Dame aus der Gemeinde hatte einen Termin dafür mit meiner Mentorin gemacht, ich saß dabei und fand es mit 22 Jahren so mittelnachvollziehbar. Einerseits fand ich die Idee gut, vorzusorgen. Andererseits fand ich die Vorstellung, so abgeklärt über das eigene Ableben nachzudenken, befremdlich bis erschreckend. Mittlerweile bin ich lange genug an der Lebensgrenze unterwegs gewesen, um aus vollem Herze zu sagen: Das ist gut! Sich über die inhaltliche Seite der Bestattung Gedanken zu machen, kann so etwas wie ein spiritueller Kassensturz sein, weil man sich selbst gegenüber Rechenschaft ablegt darüber, was trägt. Welche Bilder und Texte, welche Lieder und Gedanken. 

Deswegen nutze ich den Fragebogen auf zwei Arten: Einmal, um Menschen, die sich vielleicht alters- oder krankheitsbedingt sehr viel gedanklich mit dem eigenen Tod beschäftigen, aber deren Angehörige solche Gespräche kategorisch verweigern, einen Gesprächsraum zu bieten. Und die Möglichkeit, ihre Wünsche zu formulieren und festzuhalten. Und einmal, um mit Menschen oder Gruppen, die sich damit überhaupt noch nicht befasst haben, das Thema näher ranzuholen. Beides braucht Vertrautheit, Zeit und Raum. Die Tabuisierung des Todes bringt es mit sich, dass es vielleicht eine gewisse Wegstrecke miteinander braucht, um so etwas besprechen zu können. Die Form des Fragebogens, bei der ich in weiten Teilen dem schwedischen Original folge, hat dabei Vor- und Nachteile: Sie zwingt zur Klarheit. Und tut gleichzeitig so, als gäbe es nur die vorgeschlagenen Varianten. Man darf und muss also ein bisschen Freiheit mitbringen, und gleichzeitig das Wissen: Es geht um so viel mehr, als nur um die Beantwortung einiger Fragen. Deswegen, und weil ich hier keine pdfs hochladen kann, kommen hier einfach nur die Fragen, an einigen Stellen mit ein paar weiterführenden Fragen dort, wo erfahrungsgemäßg Gesprächsbedarf besteht. Außerdem sollte in dem Prozess auch klar werden, dass eine Bestattung nicht den Verstorbenen allein gehört, sondern auch eine seelsorgliche Funktion für die Angehörigen hat. Das ist vor allem dann wichtig, wenn jemand so einen Fragebogen ausgefüllt und Wünsche angemeldet hat, die die Angehörigen nicht erfüllen können oder wollen. Hier sind wir, auch, weil so ein "spirituelles Testament" keine juristische Bedeutung hat, als Pfarrerinnen und Pfarrer freier als die Bestattungsunternehmen - und haben auch die Aufgabe, die Fragen und/oder Schwierigkeiten, die wir mit bestimmten Wünschen sehen, offen anzusprechen. Deswegen sind manche Fragen so formuliert, wie sie nicht im Fragebogen stehen würden, aber Hintergründiges sichtbar machen und damit als Gesprächseinstiege dienen können.

Im Folgenden habe ich meine Wünsche für meine Bestattung aufgeschrieben. Sie sollen meinen Angehörigen und dem Pfarrer/der Pfarrerin eine Orientierung bieten und Hilfe sein, um Entscheidunge in meinem Sinne zu treffen. In den Fällen, in denen ich nichts notiert habe, sollen meine Angehörigen entscheiden, was sie für angemessen und hilfreich halten.

1. Wer soll meine Beerdigung organisieren? Wem vertraue ich meinen letzten Weg an?
2. Was will ich im Sarg tragen? Mein Lieblingskleid, einen bequemen Jogginganzug, ...?
3. Wie soll mein Sarg/meine Urne aussehen?
4. Sollen die, die das wollen, sich irgendwann am offenen Sarg verabschieden können? Warum/Warum nicht?
5. Welche Bestattungsform wünsche ich mir? Und warum? Was verbinde ich mit bestimmten Formen?
6. Wo will ich begraben werden?
7. Wer soll die Trauerfeier gestalten? Was an dieser Person macht sie für mich vertrauenswürdig?
8. Wer soll alles zur Trauerfeier eingeladen werden? Wen könnte meine Familie übersehen?
9. Habe ich bestimmte Vorstellungen über die Gestaltung meines Grabsteins? Will ich damit irgendetwas ausdrücken?
10. Welche Lieder sollen gesungen oder abgespielt werden? Was daran berührt mich?
11. Welche Bibelverse/Gedichte/Gedanken... sind mir besonders wichtig? Was bedeuten sie für mich?
12. Was ist mir sonst rund um meine eigene Trauerfeier wichtig? 
13. Was für Ideen habe ich für die Feier hinterher? Gibt es ein Restaurant, dass ich empfehlen kann?
14. Gibt es Anliegen oder Initiativen, die mir am Herzen liegen, und für die anlässlich meines Todes gespendet oder bei der Trauerfeier gesammelt werden könnte? 
15. Was soll die Trauerfeier für meine Angehörigen bedeuten, was wünsche ich mir für sie?
16. Welche positiven oder negativen Beerdigungserfahrungen habe ich gemacht? Gibt es "Dos" und "Donts"?
17. Was ist offen geblieben? 

Ich freue mich über Rückmeldungen und Erfahrungsberichte zum Fragebogen! Und würde mir wünschen, dass das nur ein Anfang einer Entwicklung ist, in der die Kirche die ars moriendi wiederentdeckt. War das Thema "Tod und Sterben" über mehrere Jahrzehnte gesamtgesellschaftlich irgendwo in eine Ecke abgeschoben, scheint sich momentan, mit einer Pluralisierung von Bestattungs- und Trauerkulturen und einer zunehmenden Medialisierung (und Digitalisierung) aller Lebensbereiche eine Trendwende abzuzeichnen. Wir haben in unserer Tradition unglaubliche Schätze, die abschiedliches Leben lehren, ohne den Tod zu beschönigen. Wir sitzen auf Jahrhunderten, teils Jahrtausenden von Erfahrungen mit der Gestaltung und Begleitung der letzten Wege, mit dem Versprachlichen von dem, was eigentlich unsagbar ist, wir haben Symbole und Riten, die vielleicht abgestaubt und behutsam aktualisiert werden müssen, die aber zukunftsfähig in jedem nur erdenklichen Sinne sein können. Und wir haben den Glauben auf den Sieg über den Tod und die Hoffnung auf das Kommen Gottes - das prädestiniert uns doch geradezu, hier zu Pionier_innen einer neuen Trauerkultur zu werden, die das gesamte Leben positiv und heilsam beeinflussen kann.


1 Kommentar:

  1. Sehr gut! Über das eine oder andere davon habe ich mir schon mal Gedanken gemacht, aber noch nicht so konzentriert. Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen,...

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