Samstag, 7. März 2015
Freitag, 6. März 2015
Aus einem Kirchengeschichtshandbuch des 23. Jahrhunderts
Zwischen
digitaler Revolution
und
administrativer Wende
Der
Protestantismus der Jahre 2017 bis 2045
[…]
Stefan Große-Gschaftlhubers
Stegreifrede und die administrative Wende
Ein Meilenstein
in der weiteren Entwicklung des landeskirchlich verfassten Protestantismus war
die Einrichtung des Evangelischen Zentralinstituts für theologische
Verwaltungsfragen, mit dessen Leitung Oberkirchenrat Stefan Große-Gschaftlhuber
betraut wurde. Große-Gschaftlhuber selbst hatte die Gründung angeregt: In
seiner Stegreifrede auf dem Stuttgarter Kirchentag, deren Eingangsfeststellung
„Wir können als Menschen Verwaltung nicht verstehen, wir dürfen als Theologen
mit Verwaltung leben“ in die Geschichtsbücher eingegangen ist, erläuterte Große-Gschaftlhuber
anhand u. a. der Tora-Übergabegeschichten des Alten Testaments und des Augustinischen
Volkszensus im Prolog der Weihnachtsgeschichte Lk 2, in welchem Maße die
Heilsgeschichte seit jeher von höchstinstanzlichen Verwaltungsentscheidungen
abhängig gewesen sei. Zahlreiche neutestamentliche Figuren, wie der Apostel
Paulus, die sprichwörtlichen Zöllner oder der äthiopische Hofbeamte galten Große-Gschaftlhuber
als exemplarische Vertreter des antiken Beamtentums, die selbstverständliche
Gesprächs- und Kooperationspartner, ja bedeutende Trägerkreise des
Urchristentums darstellten. In den Verwaltungsentscheidungen und –strukturen
der Kirche sah Große-Gschaftlhuber demnach nicht nur die Verwirklichung der
neutestamentlichen Forderung nach „guter
Haushalterschaft“, sondern auch, unter Rekurs auf den priesterschriftlichen
Schöpfungsbericht und 1Kor 14,33 („Gott ist kein Gott der Unordnung“), das auch
in der Confessio Augustana aufgenommen wird, eine imitatio des ordnenden
Schöpfungshandelns Gottes, mithin ein Instrument der creatio continua. Die Aussage, dass den Texten und
Strukturen kirchlicher Verwaltung damit neben der Bibel Offenbarungscharakter
zukäme, findet sich expressis verbis in Große-Gschaftlhubers Stegreifrede noch
nicht, wird jedoch, u. a. in seiner Forderung nach einer „kultürlichen“,
„bürokratischen“ oder „administrativen Theologie“, hier schon vorweggenommen
und in der EKD-Denkschrift „Die gute Haushalterschaft – Das Verhältnis von
Theologie und Verwaltung“ von 2019 entfaltet.
Der
evangelisch-theologische Fakultätentag machte sich die Denk- und
Programmschrift im Folgejahr zu eigen und leitete damit die sog. administrative
Wende im engeren Sinne ein, einen erstaunlich kurzfristigen Prozess der
Umgestaltung akademischer Theologie durch eine Neuausrichtung universitärer
Lehre und Forschung auf die wesentlichen Kerngedanken der bürokratischen
Theologie, deren Eckpunkte hier nur kurz umrissen seien: An den verbliebenen
drei evangelisch-theologischen Fakultäten in Berlin, Marburg und München wurden
die Lehrstühle Altes und Neues Testament zu einem biblisch-exegetischen
Lehrstuhl zusammengefasst. Diesem wurde der Fachbereich Kirchenrecht und
theologische Verwaltungswissenschaft als weiterer exegetischer Lehrstuhl
zur Seite gestellt, der sich mit der Erforschung und Auslegung kirchlicher
Rechts- und Verwaltungsordnungen beschäftigte. Auch die anderen Lehrstühle
erfuhren eine inhaltliche Neuausrichtung: In der Kirchengeschichte äußerte sich
dies in einer Abkehr von sozial- und mentalitätsgeschichtlichen
Forschungsansätzen zugunsten einer stärker organisationsgeschichtlich
orientierten Perspektive. Die Systematische Theologie wurde der Praktischen
Theologie untergeordnet. Diese wandte sich sich, unter Rekurs auf das
Schleiermachersche Diktum, Praktische Theologie sei die Theorie der
Kirchenleitung, in den Folgejahren zunehmend von Homiletik und Poimenik ab und
dem Bereich Kybernetik/ Oikodomenik/Kirchenleitung zu. Seitens der
Kirche wurde gerade letztgenannte Entwicklung ausdrücklich als
berufsvorbereitende Maßnahme begrüßt, nicht zuletzt, da mehrere Befragungen von
Pfarrerinnen und Pfarrern auf landeskirchlicher und EKD-weiter Ebene ergaben,
dass ein Großteil pfarramtlicher Tätigkeit auf Verwaltungsaufgaben entfiel.
Auch im interdisziplinären Wissenschaftsdialog schlug sich diese Änderung
nieder: Waren bislang, je nach fachlicher Ausrichtung, nach der empirischen und
der ästhetischen Wende vor allem Human- und Kulturwissenschaften bevorzugte
Gesprächspartner der akademischen Theologie, wandte man sich nun verstärkt und
mit einiger Leidenschaft den Verwaltungswissenschaften zu. Institutionalisiert
wurde dieser Austausch im Verein für die Theologie der Verwaltung, der am
Reformationstag 2023 mit einem Festakt im Berliner Dom im Beisein von
Bundeskanzler Bernd Lucke und Bundespräsidentin Katarina Oertel von der
Regierungspartei AfDeGiDa sowie des EKD-Ehrenratsvorsitzenden Rupert Murdoch gegründet wurde. Ab 2025 wurde die Mitgliedschaft in besagtem Verein die
Voraussetzung für Erhalt und Beibehalt der Ordinationsrechte, sodass ab
spätestens 2026 alle ca. 300 Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland sowie die
überaus zahlreicheren ehrenamtlichen Predigerinnen und Prediger entscheidend
von den theologischen Schwerpunktsetzungen geprägt wurden.
Auch die
kirchliche Praxis erfuhr eine entscheidende Umgestaltung: In der ab 2030
EKD-weit gültigen Agende Neues Evangelisches Gottesdienstbuch wurde das
System der gottesdienstlichen Lesungen nachdrücklich verändert: Die biblischen
Lesungen wurden von bislang zwei, mancherorts drei auf eine reduziert, die
neugestaltete Perikopenordnung legte einen deutlichen Schwerpunkt auf die
biblischen Kernstellen administrativer Theologie, dazu gehörten vor allem die
Gesetzestexte und Listen des Pentateuch sowie die Pastoralbriefe. An die Stelle
des bis dato üblichen apostolischen Glaubensbekenntnisses trat die Lesung aus
kirchen- und verwaltungsrechtlichen Kerntexten, vorzugsweise der Kirchenordnung
und des Lebensordnungsgesetzes, zu deren Auswendiglernen im
Konfirmandenunterricht nachdrücklich ermutigt wurde und die auch Eingang in den
Bekenntnis- und Gebetsteil des zeitgleich mit der Agende eingeführten Neuen
Gesangbuchs fanden.
Die wenigen
verbliebenen evangelischen Akademien wurden zu administrativen Lernzentren, in
denen die ganzheitliche Beschäftigung mit dem Kirchenrecht im Vordergrund
stand; als Beispiel sei hier nur die
Bürokratodrama-Bewegung genannt, deren Anliegen und Geschichte andernorts
ausführlich beschrieben worden sind.
Auch der
interkonfessionelle und interreligiöse Dialog erfuhr in den 2020er- und
-30erjahren einen Aufschwung, da man sich nun, vom historischen Ballast schwer
vermittelbarer theologischer Glasperlenspiele befreit, v. a. um organisatorische
Fragen kümmern konnte; der ÖRK (ursprünglich Ökumenischer Rat der Kirchen,
ab 2021 Ökonomischer Rat der Kirchen) sprach auf seiner Vollversammlung
in Rheda-Wiedenbrück 2028 in Anlehnung an die safe-space-Forschung von
„theologiebefreiten Zonen“, die EKD nannte sich, in bewusstem semantischen
Rekurs auf ein eigentlich obsolet gewordenes Konzept aus dem Jahr 2006 „Kirche
der Freiheit von Theologie“.
Blütezeit
des Protestantismus 2020-240
Insgesamt kann
die Zeit zwischen 2020 und 2040 als ausgesprochene Blütezeit des
landeskirchlichen Protestantismus bezeichnet werden, die durch einen
sprunghaften Anstieg kirchlicher Finanzmittel und eine Trendwende im seit dem
19. Jahrhundert zu beobachtenden Mitgliederschwund geprägt war. Über die
Ursachen dieser Entwicklung ist viel spekuliert worden, im Folgenden seien nur
diejenigen Erklärungsansätze skizziert, die als allgemein konsensfähig gelten
können:
Die
Konsolidierung und Maximierung kirchlicher Finanzen seit 2020 ist nicht
unabhängig von volkswirtschaftlichen Faktoren zu betrachten, sie steht im
Kontext eines beispiellosen Aufschwungs der Bundesrepublik, der vor allem mit
der Bewältigung der sog. Eurokrise zu tun hat, in deren Folge noch unter
Reichskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsidentin Helene Fischer nach
Staatsbankrott und Versteigerung die ökonomisch instabilen Euroländer Spanien,
Italien, Frankreich und Griechenland de facto zu deutschen Vasallenstaaten
wurden und der Bundesrepublik Einnahmen aus den bislang eher wenig bedeutsamen
Wirtschaftszweigen des Tourismus und der Olivenölindustrie ermöglichten.
Speziell für
die kirchlichen Finanzen waren zwei innerkirchliche Vorgänge entscheidend,
deren Anfänge auf das Reformationsjubiläumsjahr 2017 zu datieren sind: Als
Schlussakkord des sog. Haushaltskonsolidierungsprozesses entschied die
rheinische Landessynode im Januar, sämtliche Kirchensteuermittel auf die
landeskirchliche Ebene zu übertragen und damit, so der Wortlaut der in Folge
nur noch als Rheinischer Synodalbeschluss bezeichneten Erklärung,
„die
finanziellen Mittel in die Hände derer zu geben, die über den Kirchturm hinaus
blicken und es in guter Haushalterschaft [sic!] zum Segen der Menschen und zur
Optimierung kirchlicher Arbeitsfelder einzubringen und zu mehren vermögen.“
Die
Beschlussvorlage der rheinischen Kirchenleitung, die sich in Folge des
Synodalbeschlusses dafür selbst mit dem Peter-Beier-Preis, der
Karl-Barth-Medaille und dem Dorothee-Sölle-Pokal für theologische Innovation
auszeichnete, wurde 2020 von der EKD übernommen und das gesamtdeutsche Kirchensteuereinkommen
dem Hannoverschen Kirchenamt unterstellt. Die kirchenrechtliche Voraussetzung
dafür war bereits 2014 mit der Entscheidung der EKD-Synode erfolgt, die EKD sei
als Gemeinschaft von Gliedkirchen selbst Kirche.
Ein zweiter
Faktor für die Maximierung der kirchlichen Finanzmittel war die
Wiedereinführung des Ablasswesens. In ihrem Hauptvortrag auf den Wittenberger
Lutherfestspielen 2017 erklärte der Münchner Kirchengeschichtler Günther Lauch,
Luthers Kritik am Ablasshandel müsse als zeitgebundene Aussage verstanden
werden und dürfe, ähnlich wie die späten Judenschriften des Reformators, weder
als Zentrum seiner Theologie gelten, noch dürfe sie als für die Kirche der
Gegenwart in irgendeiner Weise bindend verstanden werden. Ein daraufhin vom
Kirchenamt der EKD in Auftrag gegebenes theologisches Gutachten schloss sich
dieser Sichtweise weitestgehend an und betonte die seelsorgliche Komponente
einer Heils- und Segensgewissheit:
„Die Gnade
Gottes bleibt frei und souverän – und damit auch im Kern unverkäuflich. Dies
ist im Blick zu behalten und in Verkündigung und Seelsorge zu betonen. Eine
fakultative Verknüpfung des segnenden oder lösenden Zuspruchs mit einer
einmaligen Geldspende steht dem nicht zwangsläufig entgegen; […] vielmehr ist
davon auszugehen, dass in einer Zeit der Ökonomisierung alle Lebensbereiche
einerseits und des Verlustes religiöser Sprachfähigkeit andererseits das
Überreichen von Geld für den oder die Zahlende eine wichtige Rolle bei der symbolischen
Aneignung des zugesprochenen Gutes spielt.“
Die durch
eine aufwändige, multimediale Kampagne unter dem Motto „…wissen, was man
hat!“ begleitete Wiedereinführung des Ablasshandels am 31. Oktober 2018, die von
kirchlicher und weltlicher Öffentlichkeit allgemein als „Ereignis von
historischer Tragweite“ bezeichnet wurde, erwies sich als unerwartet reich
sprudelnde Einnahmequelle; im Jahr nach ihrer Einführung entsprach der Erlös
aus dem Ablassverkauf 52% des Kirchensteueraufkommens, nach fünf Jahren 93%.
Zehn Jahre nach Wiedereinführung überstieg der Erlös aus dem Ablasshandel das
reale Kirchensteueraufkommen um 15% und machte die Kirche weitgehend unabhängig
von der Kirchensteuer, deren Berechtigung seit der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts immer wieder in Frage gestellt worden war, jedoch erst endgültig
im Zuge der gesamtgesellschaftlichen Neuordnung Deutschlands und Europas nach
dem Ende des Dritten Weltkriegs 2068 abgeschafft wurde.
Die
Umkehr des seit Ende des 19. Jahrhunderts stetig sich verstärkenden
Mitgliederschwundes der Großkirchen wird u. a. an einer mentalen Disposition v.
a. der Mittelschicht im Westeuropa festgemacht: Ermüdet von Traditionserosion
und ständigem Metadiskurs in der ausklingenden Postmodernen, nahmen viele
Menschen die administrative Wende in Kirche und Theologie und das damit
verbundene Bekenntnis zu Planbarkeit und Kontinuität zum Anlass, sich der
Kirche erneut und/oder intensiviert zuzuwenden.
Als
ein weiterer Grund wird gelegentlich die digitale Revolution angeführt,
d. h. das Eindringen moderner Telekommunikations- und Informationstechnologie
in alle Lebensbereiche, die einen Höhepunkt bei den Europawahlen 2020
erreichte, als Facebook mit absoluter Mehrheit als stärkste Partei ins
Europaparlament einzog und in den Folgejahren die Tilgung sämtlicher
Integritätsbestimmungen und Datenschutzrichtlinien aus dem Verfassungen der
EU-Mitgliedsstaaten durchsetzte. Auf Basis zeitgenössischer Quellen sowie
Ergebnissen der Computerarchäologie ist herausgearbeitet worden, dass im frühen
21. Jahrhundert Kirchen und Gemeindehäuser neben U-Bahn-Schächten die einzigen
Orte Mitteleuropas ohne zuverlässige Internetverbindung und/oder
WLAN-Netzabdeckung waren und Bürgerinnen und Bürgern damit rein physische
Freistätten in einer ansonsten zunehmend virtualisierten Welt boten. Die Rede
vom „digitalen Kirchenasyl“ ist indes erst in der kirchengeschichtlichen
Erforschung besagter Epoche, nicht jedoch in zeitgenössischen Quellen belegt.
Ein grundlegender Dissens bestimmt die kirchengeschichtliche Erforschung der genannten Epoche vor allem im Blick auf die Frage nach der Legitimation ökonomischer Konsolidierung auf Kosten der theologischen Inhalte. Stand die Kirchengeschichtsforschung lange Zeit unter dem Eindruck der Zeugnisse, die aus den Reihen der Gegner der oben skizzierten Reformen überliefert sind, hat die neuere Forschung herausgearbeitet, wie sehr diese Quellen eher eine stereotype Verfallsmetaphorik abbilden, anstatt eine fachlich fundierte Situationsanalyse zu liefern. Unbeantwortet bleibt jedoch bis heute die rhetorische Frage in der Autobiografie eines rheinischen Pfarrers:
"Wir fragen uns bis heute, ob und wie wir diese Entwicklung hätten stoppen müssen, sollen oder können."
"Wir fragen uns bis heute, ob und wie wir diese Entwicklung hätten stoppen müssen, sollen oder können."
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Donnerstag, 5. März 2015
Passion in Bildern (II): "Entartete Kunst" und eine Freundschaft, die tragisch endet
Unser heutiges Bild stammt aus der neunteiligen Bilderreihe „Das Leben Christi“ aus den Jahren 1911 und 1912 von Emil Nolde, dem großen deutschen Expressionisten des 20. Jahrhunderts.
Die Bilder sind allesamt Aquarelle in ausdrucksstarken Farben und zum Teil sehr simplen, zweidimensonalen Figuren, fast so, wie man sie aus Kinderbibeln kennt – hier wirkt einerseits im Großen die Romantik nach, andererseits im Kleinen und Entscheidenden die Bibelstunden auf dem Bauernhof in Nolde (daher der Künstlername).
Wohlgemerkt, in allen Bildern bis auf das, was uns heute besonders interessiert, aber dazu später.
Diese Bilderreihe war im Jahr 1937 Mittelpunkt der Naziausstellung „entartete Kunst“, die Kulturvasallen Joseph Goebbels‘ hatten darüber ein Plakat hängen lassen mit der Aufschrift: „Gemalter Hexenspuk, geschnitzte Pamphlete von psychopathischen Schmierfinken“ – übrigens, bezeichnender Weise hat die Kirche an manchen Stellen in ihrer Kritik an Noldes religiösen Bildern zum Teil fast wortwörtlich dasselbe gesagt – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Nolde selbst war von dieser Kritik auf zweifache Art getroffen: Erstens verstand er selbst seine „biblischen und Legendenbilder“ als Ausdruck einer respektablen Religiosität und Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens – und er war selbst ein fieser Antisemit, aktives NSDAP-Mitglied und Kämpfer gegen die von ihm selbst so bezeichnete „Überfremdung germanischer Kunst.“
Aber kommen wir zum Bild selbst.
Die knalligen Farben, die ausdruckstarken und deutlichen Formen, die sonst die biblischen Bilder auszeichnen, sucht man hier vergebens. Es ist dunkel, vieles wirkt undeutlich, verschwommen, man muss zwei-, dreimal hingucken, um überhaupt etwas zu erkennen. Das passt, denn es ist wahrscheinlich Abend im Garten Gethsemane. Das passt aber auch auf einer tieferen Ebene, denn wenn vertraute Menschen einen hintergehen, verraten, ausliefern – dann schwankt der Boden unter den Füßen, dann erscheint das, was vorher klar und stabil schien, plötzlich zwielichtig und brüchig. Und zwar auf Dauer – ich weiß nicht, wie oft mir schon jemand erzählt hat: Ich bin einmal sehr enttäuscht worden, mir fällt es schwer Vertrauen zu fassen.
Es ist dunkel im Garten Gethsemane, und die Menschen sind nur zum Teil erkennbar. Das ist Judas. Er schlingt Jesus die Arme um den Hals, küsst ihn auf den Mund und sieht für mich sehr ungestüm, sehr vereinnahmend aus. Und vielleicht ist das so, so wie falsches Gelächter oft das lauteste ist, und die falschen Küsse die vermeintlich leidenschaftlichen und auf jeden Fall öffentlichkeitswirksamen. Der Judas auf diesem Bild ist noch nicht der, dem kurze Zeit später den Hohepriestern das Geld vor die Füße schmeißt und dem die eigene Existenz unerträglich wird und der seinem Leben ein Ende setzt. Dieser Judas hier ist überzeugt von dem, was er tut. Warum Judas zum Verräter wird, wissen wir letzten Endes nicht, da ist viel spekuliert worden. Ob es die Geldgier ist, ob es die Enttäuschung des politischen Aktivisten ist oder irgendwelche Zwischenmenschlichkeiten, von denen wir keine Ahnung haben – wir wissen es nicht. Aber weiß man überhaupt jemals wirklich, warum Menschen zu dem werden, was sie werden?
Dann ist da noch Jesus auf dem Bild. Sein Blick scheint in weite Ferne zu gehen, sein Gesicht ist seltsam ausdruckslos. Ein Arm leicht erhoben, ich kann nicht sehen, ob er die Umarmung halb erwidert oder Judas halb abwehrt – aber es ist auf jeden Fall nur eine halbe Geste. Jesus lässt das alles mit sich geschehen, angeblich, weil es einfach so sein muss. Und auch das ist die Tragik menschlicher Beziehungen, die zerstörerisch enden: Es gehören immer zwei dazu, auf irgendeiner Ebene, bewusst oder unbewusst, auf eine Art und Weise gehört immer jemand dazu, der den anderen machen lässt, weil es angeblich irgendwie so sein muss.
Im Vordergrund ein römischer Soldat, erkennbar am Helm und an den Fackeln, die er trägt. Also einer von der Gegenseite, an die Judas Jesus verkauft hat. Er schlägt die Hand vor den Mund und schaut sich das Geschehen ungläubig, fast entsetzt an. Vielleicht erkennt er, mit was für fiesen Mitteln seine Befehlshaber hantieren. Vielleicht ist es auch so, dass niemand einen Verräter mag, auch die nicht, die einen Nutzen von ihm haben.
Im Hintergrund steht eine weitere Person. Man kann sie kaum erkennen, man sieht nur ihre Augen im Dunkeln leuchten und vielleicht schemenhaft ein paar Gesichtszüge, eine Hand. Und irgendwie passt es auch, denn in den meisten Fällen, in denen Vertraute zu Verrätern werden, in denen Menschen Menschen verraten, gibt es da jemanden im Hintergrund. Im Kleinen fängt das im Sandkasten oder auf dem Schulhof an, wenn da auf einmal jemand ist, der die cooleren Klamotten oder Spielzeuge hat und es wert scheint, dass man alle anderen plötzlich links liegen lässt. Das ist meistens dann so, wenn Liebende anfangen, einander zu belügen und zu hintergehen, weil da irgendjemand ist, der das verspricht, was man vermisst.
Und mit all dem ist gerade einmal die Hälfte des Bildes beschrieben. Absolut dominant ist das Schwarz, die Dunkelheit, die Finsternis, die alle zu verschlucken droht. Und man, gerade bei Judas, gar nicht so richtig, ob er aus der Dunkelheit hervorgeht, oder ob sie ihn verschlingt. Vielleicht kann man das auch gar nicht so genau unterscheiden, vielleicht ist das so, dass bestimmte Mächte, Motive, Gedanken, mit denen man sich abgibt, für den Augenblick zwar einen Antrieb bedeuten, auf lange Sicht aber immer die auffressen, die sich mit ihnen abgeben.
Es ist kein weiter Gedankensprung, mit der Schwärze in dem Bild den Tod zu verbinden, den Tod beider Hauptfiguren, auf den es hinausläuft. Dabei ist es, glaube ich, nicht nur der physische Tod am Kreuz und der Tod am Strang. Es gibt noch etwas, das man in den verschiedensten Zusammenhängen als den „sozialen Tod“ kennt. Eine eindrückliche Schilderung davon haben wir in dem Psalm, den wir vorhin gebetet haben, gehört. Der soziale Tod ist der Abbruch aller Beziehungen, schon im Leben. In unseren Breitengraden ist er vielleicht besonders in denjenigen Institutionen verbreitet, in denen alte und kranke Menschen ohne menschliche Kontakte vor sich hin vegetieren, nicht mehr als Personen, sondern nur noch als Insassen behandelt werden. Am sozialen Tod sterben Menschen, der so genannte Alterssuizid, ob er aktiv durch Medikamentenüberdosierungen oder eher „passiv“ durch Nahrungsverweigerung oder schlichtweg Selbstaufgabe geschieht, ist eine Tatsache.
Jesus selbst ist auch den sozialen Tod gestorben, nicht allein wegen Judas.
Auch wegen Petrus und aller anderen, die ihn verlassen haben.
Jesus selbst ist in das Dunkle menschlicher Verwicklungen hinabgestiegen
und hat dafür gesorgt, dass die Zeiten und Räume der Einsamkeit
keine Sekunde lang Momente der Gottesferne sind.
Das ist keine Entschuldigung.
Das ist die einzige Hoffnung für alle Menschen,
die einander ins Dunkel reißen.
Amen.
Es ist dunkel im Garten Gethsemane, und die Menschen sind nur zum Teil erkennbar. Das ist Judas. Er schlingt Jesus die Arme um den Hals, küsst ihn auf den Mund und sieht für mich sehr ungestüm, sehr vereinnahmend aus. Und vielleicht ist das so, so wie falsches Gelächter oft das lauteste ist, und die falschen Küsse die vermeintlich leidenschaftlichen und auf jeden Fall öffentlichkeitswirksamen. Der Judas auf diesem Bild ist noch nicht der, dem kurze Zeit später den Hohepriestern das Geld vor die Füße schmeißt und dem die eigene Existenz unerträglich wird und der seinem Leben ein Ende setzt. Dieser Judas hier ist überzeugt von dem, was er tut. Warum Judas zum Verräter wird, wissen wir letzten Endes nicht, da ist viel spekuliert worden. Ob es die Geldgier ist, ob es die Enttäuschung des politischen Aktivisten ist oder irgendwelche Zwischenmenschlichkeiten, von denen wir keine Ahnung haben – wir wissen es nicht. Aber weiß man überhaupt jemals wirklich, warum Menschen zu dem werden, was sie werden?
Dann ist da noch Jesus auf dem Bild. Sein Blick scheint in weite Ferne zu gehen, sein Gesicht ist seltsam ausdruckslos. Ein Arm leicht erhoben, ich kann nicht sehen, ob er die Umarmung halb erwidert oder Judas halb abwehrt – aber es ist auf jeden Fall nur eine halbe Geste. Jesus lässt das alles mit sich geschehen, angeblich, weil es einfach so sein muss. Und auch das ist die Tragik menschlicher Beziehungen, die zerstörerisch enden: Es gehören immer zwei dazu, auf irgendeiner Ebene, bewusst oder unbewusst, auf eine Art und Weise gehört immer jemand dazu, der den anderen machen lässt, weil es angeblich irgendwie so sein muss.
Im Vordergrund ein römischer Soldat, erkennbar am Helm und an den Fackeln, die er trägt. Also einer von der Gegenseite, an die Judas Jesus verkauft hat. Er schlägt die Hand vor den Mund und schaut sich das Geschehen ungläubig, fast entsetzt an. Vielleicht erkennt er, mit was für fiesen Mitteln seine Befehlshaber hantieren. Vielleicht ist es auch so, dass niemand einen Verräter mag, auch die nicht, die einen Nutzen von ihm haben.
Im Hintergrund steht eine weitere Person. Man kann sie kaum erkennen, man sieht nur ihre Augen im Dunkeln leuchten und vielleicht schemenhaft ein paar Gesichtszüge, eine Hand. Und irgendwie passt es auch, denn in den meisten Fällen, in denen Vertraute zu Verrätern werden, in denen Menschen Menschen verraten, gibt es da jemanden im Hintergrund. Im Kleinen fängt das im Sandkasten oder auf dem Schulhof an, wenn da auf einmal jemand ist, der die cooleren Klamotten oder Spielzeuge hat und es wert scheint, dass man alle anderen plötzlich links liegen lässt. Das ist meistens dann so, wenn Liebende anfangen, einander zu belügen und zu hintergehen, weil da irgendjemand ist, der das verspricht, was man vermisst.
Und mit all dem ist gerade einmal die Hälfte des Bildes beschrieben. Absolut dominant ist das Schwarz, die Dunkelheit, die Finsternis, die alle zu verschlucken droht. Und man, gerade bei Judas, gar nicht so richtig, ob er aus der Dunkelheit hervorgeht, oder ob sie ihn verschlingt. Vielleicht kann man das auch gar nicht so genau unterscheiden, vielleicht ist das so, dass bestimmte Mächte, Motive, Gedanken, mit denen man sich abgibt, für den Augenblick zwar einen Antrieb bedeuten, auf lange Sicht aber immer die auffressen, die sich mit ihnen abgeben.
Es ist kein weiter Gedankensprung, mit der Schwärze in dem Bild den Tod zu verbinden, den Tod beider Hauptfiguren, auf den es hinausläuft. Dabei ist es, glaube ich, nicht nur der physische Tod am Kreuz und der Tod am Strang. Es gibt noch etwas, das man in den verschiedensten Zusammenhängen als den „sozialen Tod“ kennt. Eine eindrückliche Schilderung davon haben wir in dem Psalm, den wir vorhin gebetet haben, gehört. Der soziale Tod ist der Abbruch aller Beziehungen, schon im Leben. In unseren Breitengraden ist er vielleicht besonders in denjenigen Institutionen verbreitet, in denen alte und kranke Menschen ohne menschliche Kontakte vor sich hin vegetieren, nicht mehr als Personen, sondern nur noch als Insassen behandelt werden. Am sozialen Tod sterben Menschen, der so genannte Alterssuizid, ob er aktiv durch Medikamentenüberdosierungen oder eher „passiv“ durch Nahrungsverweigerung oder schlichtweg Selbstaufgabe geschieht, ist eine Tatsache.
Jesus selbst ist auch den sozialen Tod gestorben, nicht allein wegen Judas.
Auch wegen Petrus und aller anderen, die ihn verlassen haben.
Jesus selbst ist in das Dunkle menschlicher Verwicklungen hinabgestiegen
und hat dafür gesorgt, dass die Zeiten und Räume der Einsamkeit
keine Sekunde lang Momente der Gottesferne sind.
Das ist keine Entschuldigung.
Das ist die einzige Hoffnung für alle Menschen,
die einander ins Dunkel reißen.
Amen.
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Sonntag, 1. März 2015
Als Hogwarts nach Holweide kam...
Am Anfang waren drei ein klein bisschen verrückte Menschen, in unserem Fall zwei Pfarrer und eine Kantorin, die gerne "irgendetwas mit Harry Potter" machen wollten. Und sich dann entschlossen, wirklich was zu machen. Heraus kam etwas, das gar nicht so leicht anzukündigen war, weil es auf die von vielen Leuten gestellte Frage: "Was macht Ihr denn da genau...?!" keine allzu einfache Antwort gab. Wir nannten es "eine theologisch-literarisch-musikalische Reise", das war es definitiv auch, aber es war doch eine ganze Menge mehr. Wir können es zur Nachahmung herzlich empfehlen, deswegen gibt es hier mehr als nur ein bisschen Nachlese.
Was wir jetzt genau gemacht haben
Hauptbestandteil des Abends war eine mehr oder weniger szenische Lesung ausgewählter Passagen aus den sieben Harry-Potter-Bänden, die die Story natürlich nicht komplett erzählen konnten, aber in weiten Bögen wichtige und unterhaltsame Szenen in einer abendfüllenden Aktion verbanden. "Szenisch" heißt dabei: Die einzelnen Passagen haben wir in Dialoge umgeschrieben, die dann mit verteilten Rollen vorgelesen wurden. For the sheer pleasure of it und um des britischen Lokalkolorits der Reihe Willen gab es auch einzelne Einwürfe auf Englisch. Aufgelockert wurde das Ganze durch kurze Filmsequenzen, musikalische Einlagen und Interaktives (dazu später mehr), eine Pause gab es natürlich auch.
Szenenabfolge
- Prolog (englisch) (I)- Hagrid bei den Dursleys (I)
- Der Troll auf dem Mädchenklo (I)
- Der Fuchsbau und der fliegende Ford (II)
- Pflanzenkunde (II)
- Wahrsageunterricht (III)
- Filmsequenz: Dementoren im Hogwarts-Express (III)
- Quidditch-Weltmeisterschaft (IV) (englischer Matchkommentar, Schlagzeilen)
- Tanzstunde (IV) (Lesung und Filmsequenz)
- Das Voldemort-Projekt (IV)
- Die Prophezeiung (V)
- Liebes- und andere Tränke (I + VI)
- Filmsequenz: Die Höhle am Meer (VI)
- Der Friedhof von Godric's Hollow (VII)
- Filmsequenz: Pietotor Locomortum
- Der Wald ("Ich öffne mich am Schluss") (VII)
- King's Cross (VII)
Mit unserer Auswahl kamen wir, trotz vieler Streichungen und Kürzungen, auf ein beachtliches Figurenensemble: Harry, Ron und Hermine, Molly und Arthur Weasley, Dumbledore, McGonagall, Slughorn, Snape, Sprout, Lockhart, Trelawney, Vernon und Petunia Dursley, Neville Longbottom, Cedric Diggory, Lupin, Lily und James Potter, Wurmschwanz, Voldemort, Quidditch-Kommentator - und ein Erzähler, der nicht nur die Szenen untereinander verbindet, sondern auch durch längere narrative Passagen den literarischen Charakter stärkt.
Dabei können Doppelrollen übernommen werden, in unserem Fall waren das etwa Sprout/Mrs. Weasley, Mr. Dursley/Wormtail, Mrs. Dursley/Daily Prophet und (aufgrund eines Ausfalls) Dumbledore/Lockhart/Quidditchkommentar. Wichtig und empfehlenswert erschien uns die Grundregel, dass Schüler_innen auch von Jugendlichen gelesen wurden.
Als Bühne diente uns ein langer Tisch, ständig dort waren nur die drei Hauptfiguren sowie der Erzähler, die anderen wechselten je nach Bedarf und gaben sich durch Namensschilder und einzelne Accessoires zu erkennen.
Der Bühnenraum war ein bisschen dekoriert: Neben dem Tisch stand ein Regal mit alten Büchern, vielen kleinen und großen Fläschchen, künstlichen Spinnweben und (Trommelwirbel!) einer ausgestopften Schneeeule (eine freundliche Leihgabe des hiesigen Jagdvereins), an die Wand hinter dem Tisch wurden außerdem wechselnde Hintergrundbilder projiziert, die die Stimmung der jeweiligen Szene aufnehmen und verstärkten sollten. Das konnten Fotos vom Filmset sein, aber auch ganz "normale" Landschaftsbilder. Im Raum verteilt waren noch Banner mit den Wappen der Häuser, zwischen denen zwei fast lebensgroße Dementoren herumgeisterten.
Das Drumherum und das Mittendrin
Am Eingang wurden die Besucher_innen mit heißem Butterbier empfangen (Rezept gibt es demnächst) - und vom Sprechenden Hut, der sie in die Häuser einteilte. Den Hut hatte uns eine unglaublich bastelbegabte und -freudige Dame aus der Gemeinde gestiftet (die auch lebensecht wirkende Alraunen herzustellen vermag!), ein etwas ummodellierter Hexenhut aus dem Karnevalsladen, in dem wir einen kleinen Bluetooth-Lautsprecher platzierten, über den dann das jeweilige Haus verkündet werden konnte (die entsprechenden MP3s hatten wir selbst aufgenommen und mithilfe von Freeware-Audioprogrammen ein bisschen aufgemotzt). Die Idee stammt übrigens von der Harry-Potter-Ausstellung, die natürlich rein zu Studienzwecken besucht werden musste. Beim Eintritt gab es einen entsprechenden Button, den eigentlichen Beginn der Veranstaltung markierte als Warming-Up das Umsetzen nach Häusern, die natürlich im Laufe des Abends auch gegeneinander antraten und Quizfragen beantworteten.
Zu Knabbern gab es Weingummischlangen, Schokoladenstäbchen, Lakritzstangen und natürlich Every Flavour Beans - wer hier noch kreativer sein will, wird im Internet unter Stichworten wie "Buffet Halloween" garantiert fündig.
Zu Knabbern gab es Weingummischlangen, Schokoladenstäbchen, Lakritzstangen und natürlich Every Flavour Beans - wer hier noch kreativer sein will, wird im Internet unter Stichworten wie "Buffet Halloween" garantiert fündig.
Zwischen den Szenen wurde Filmmusik live gespielt - auch hier konnten wir von dem unglaublichen Potenzial und Engagement vor der Haustür profitieren und durften "unserem" Stadtteilorchester, den Dellbrücker Symphonikern (für die an dieser Stelle noch einmal nachdrücklich Werbung gemacht sei!), zuhören. Ohne Gemeindegesang geht es ja in einer evangelischen Kirche nicht, deswegen wurde das hübsche Stückchen "Double Trouble" (aus dem Film Der Gefangene von Azkaban, Noten finden sich relativ leicht im Internet) gemeinsam gesungen.
Daneben mussten die Zuschauer_innen gar nicht so einfache Quizfragen beantworten, an passenden Stellen konnte man anhand kurzer und prägnanter Vorträge in die etwas tieferen Deutungsschichten der Hogwarts-Heptalogie einsteigen, das ging von der Bedeutung ausgewählter Namen über, wie gesagt, die Frage nach der ethischen Einordnung von Liebestränken bis hin zu den starken theologisch-christologischen Motiven, die nicht nur den gesamten Plot durchziehen, sondern auch in Einzelszenen prägend wirken.
Von wegen Zielgruppe und so...
Für wen machen wir das eigentlich? Das wurden wir im Vorhinein nicht nur mehrfach gefragt, darüber mussten wir uns ja auch selbst Rechenschaft ablegen. Weil: "Für uns" wäre zwar eine ehrliche, aber dafür gemeindepädagogisch nicht ganz zufriedenstellende Antwort gewesen. Ach "für Jung und Alt" ist ja gemeindlich meist eine Chiffre für "wissen wir selbst nicht so genau", in unserem Fall hieß es "für alle, die auch nur annähernd so bekloppt sind wie wir." Dass das gar nicht so wenige waren, zeigte sich schon im Vorfeld, als so gut wie alle, die wir angefragt hatten, mit großer Begeisterung und einiger Selbstverständlichkeit ihre Bereitschaft zur Mitwirkung erklärten. Nebenbei: Ein Teil von dem großen Spaß, den wir bei der Vorbereitung hatten, bestand auch darin, uns die idealen Sprecher_innen für die verschiedenen Rollen vorzustellen...
Das Altersspektrum der Mitwirkenden rangierte so grob zwischen 15 und 65, bei den erfreulich zahlreichen Besucher_innen (die Kirche war gut voll) muss man die Statistik noch einmal deutlich nach unten korrigieren: Zu den aktivsten Mitgestaltenden des Abends gehörten eine ganze Reihe von Hardcore-Fans im Grundschul- bis Konfirmandenalter, die nicht nur auf jede (!) Quizfrage die richtige Antwort wussten, sondern auch während der Lesung lautstark mitdachten und sogar Plotschwächen und Widersprüche aufdeckten. Wir hatten vorher nicht mit so vielen jungen Zuschauenden gerechnet, und ihnen mit einer fast dreistündigen Lesung (Pause hin oder her) sicherlich auch einiges zugemutet. Die Erfahrung von gestern Abend zeigt aber: Es geht!
Das Altersspektrum der Mitwirkenden rangierte so grob zwischen 15 und 65, bei den erfreulich zahlreichen Besucher_innen (die Kirche war gut voll) muss man die Statistik noch einmal deutlich nach unten korrigieren: Zu den aktivsten Mitgestaltenden des Abends gehörten eine ganze Reihe von Hardcore-Fans im Grundschul- bis Konfirmandenalter, die nicht nur auf jede (!) Quizfrage die richtige Antwort wussten, sondern auch während der Lesung lautstark mitdachten und sogar Plotschwächen und Widersprüche aufdeckten. Wir hatten vorher nicht mit so vielen jungen Zuschauenden gerechnet, und ihnen mit einer fast dreistündigen Lesung (Pause hin oder her) sicherlich auch einiges zugemutet. Die Erfahrung von gestern Abend zeigt aber: Es geht!
Lokalspezifisch war sicherlich die (erwartete) Einsicht, dass ein kirchliches Projekt zu Harry Potter im landeskirchlichen Großstadtkontext Kölns keinerlei Anstoß erregt. Angesichts der häufig von evangelikaler und/oder rechtsfrommer Sicht vorgetragenen Kritik an allem, was mit Zaubersprüchen und fliegendem Besen zu tun hat, ist das vielleicht nicht überall zu erwarten.
Der gemeindepädagogische und sonstige Ertrag
Wie bei so vielen Gemeindeveranstaltungen liegt der direkte gemeindepädagogische Ertrag vor allem auf der Seite der Mitwirkenden: Menschen haben etwas davon, dass sie sich ehrenamtlich engagieren, auch über die beglückende Erfahrung, an einem gelungenen Projekt teilgenommen zu haben, hinaus. In unserem Fall war das zum Einen die gemeinsame Vorbereitung: Aus allen möglichen Bereichen der Gemeinde haben Menschen verschiedener Altersgruppen gemeinsam etwas erarbeitet. Sie haben sich auf diesem Wege von einer anderen Seite kennen gelernt - so etwas prägt in der Regel auch den weiteren Kontakt und damit das Klima der Gemeinde.
Zum Anderen konnten die Mitwirkenden Gaben und Talente einsetzen und/oder an sich entdecken, die im Alltag (auch im Gemeindealltag) nicht so zum Einsatz kommen - in manchen schlummerte offensichtlich ein ungeahntes Schauspieltalent. Das hätte man durch theaterpädagogische Elemente verstärken können, gleichzeitig hätte das vielleicht auch die Hemmschwelle eher erhöht - so ging es ja "nur" darum, "etwas zu lesen".
Faszinierend und ermutigend war auch die Erfahrung, dass Literatur, deren Wahrnehmung in ganz hohem Maße von den Bilderwelten und Umsetzungen in Hollywood-Blockbustern geprägt ist, immer noch offen ist für andere Arten der Inszenierung und Aneignung. Das hat irgendwie etwas zutiefst Demokratisierendes, und es zeigt auch, dass das Genre der "Lesung" Menschen begeistert. Wie gesagt, mit einer fast dreistündigen und trotz aller Auflockerungsversuche doch sehr anspruchsvollen Lesung haben wir den vielfach sehr jungen Zuschauerinnen einiges zugemutet. Und trotzdem war bis zum Schluss, trotz mancher empfindlich störender Mikrofongeräusche, die Atmosphäre extrem dicht, auch und gerade in den Szenen, in denen es buchstäblich ans Eingemachte ging, konnte man eine Stecknadel fallen hören.
Dazu gehörte auch die Erfahrung der Hochwertigkeit von im besten Sinne "Handgemachtem": Die Dekorationen, die Musik (neben den Kammersymphonikern spielte in einer Szene auch die Kirchenorgel eine Rolle), all das hatte etwas zutiefst Lebendiges. Und damit Wertvolles.
Ressourcen für alle, die es selbst einmal probieren wollen...
Dekoration und Drumherum
Man muss im Internet nicht lange suchen, um fündig zu werden - es gibt eine unglaubliche Menge großartiger Ideen und noch tollerer Umsetzungen. Wir haben besonders viel von hier übernommen:
Auch bei Deviantart gibt es einen riesigen Fundus an tollen (und unter common license verwertbaren) Grafiken.
Theologisches
Auch hier gibt es eine ganze Menge zu entdecken und zu lernen. Vielleicht vor allem bei und von Danielle Tumminio, die an der Universität Yale einen Grundkurs Theologie anhand von Harry Potter angeboten hat, den es mittlerweile auch in Buchform gibt. Viele kluge Gedanken von ihr gibt es auch so online, so gastbloggt sie mitunter auf dem tollen Portal The Hog's Head.
In Deutschland ist der in Bochum wirkende Matthias Frohmann eine Instanz der theologischen Harry-Potter-Forschung.
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