Aus Anlass der letzten Kirchenaustrittsstatistik
Disclaimer: Ich schreibe das hier nicht so gern.
Vielleicht ist es deswegen auch so lang geworden. Ich bin Pfarrer der
evangelischen Landeskirche, und ich bin das gern. Ich finde meine Kirche gut,
auch, wenn mir das, was sie glaubt, meistens besser gefällt als das, was sie so
macht. Die Meldungen zur Kirchenaustrittsstatistik wecken in mir
Existenzängste, und dabei weiß ich, dass mich das alles nicht auch nur
ansatzweise so schwer treffen würde wie abertausend andere. Aber ich bin eben
auch überzeugt davon, dass Glauben heißt, realistisch zu leben. Dass meine
Religion, mein Glaube, meine Theologie Antworten auf meine Fragen und Ängste
haben. Und mein Blick auf das Leben ist maßgeblich von palliativer Arbeit
geprägt worden, als Seelsorger und als Angehöriger. Daher der folgende Text.
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„Austherapiert“. Der Arzt schließt Herr Müllers Krankenakte. Frau
Müller tastet nach der Hand ihres Mannes. Der murmelt das komische Wort vor
sich hin. „Austherapiert.“ „Ja, was heißt das denn?“ fragt Frau Müller hilflos.
Der Arzt putzt seine Brille etwas umständlich am Zipfel seines weißen Kittels
ab. „Das heißt, dass unsere medizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Wir können
nichts tun, um Ihre Krankheit zu heilen oder auch nur ernsthaft zu verlangsamen.“
Dann sucht er Herr Müllers Blick. „Das heißt, dass Sie sterben werden.“ Frau
Müller zuckt zusammen. Herr Müller nickt kaum merklich. „Wie lange habe ich
noch?“ bringt er leise hervor. Der Arzt zuckt mit den Schultern, schüttelt den
Kopf. Blättert noch einmal in der Krankenakte. „Nicht mehr lange“, sagt er.
Die Kirche[1]
ist austherapiert. Sie wird sterben. Und nicht irgendwann in unbestimmter
Zukunft, so wie alles irgendwann an ein Ende kommt, sondern in absehbarer Zeit.
An was genau sie sterben wird, weiß man gar nicht so richtig. Sie ist schon
länger krank, hat alle möglichen Wehwehchen und auch ernsthaftere Leiden und
die eine oder andere Verletzung angesammelt, manche davon für sich genommen
schon potenziell lebensbedrohlich. Viele hinzugerufene Expert*innen (in
Deutschland ist die Kirche noch Privatpatientin) haben seit Jahrzehnten ihre
jeweiligen Fachgebiete für entscheidend gehalten und entsprechende Therapien
verordnet: Konservative („Die Kirche muss frömmer werden!“), invasive („Aus
unternehmensberaterischer Sicht empfehlen wir…“) und alternative Methoden („Die
Kirche muss bunter werden“). Fastenkuren („Die Kirche sollte weniger…“), Reproduktionsmedizin
(„Wir müssen die Familien stärken und mehr für die Taufe werben“), Aufstellungstherapie
(„Die Kirche müsste mehr in die politische Mitte!“), Logopädie („Wir müssen die
Predigt verbessern“) und Krankengymnastik („Die Kirche muss beweglicher werden“).
Frischluftkuren („Die Kirche muss raus zu den Menschen“) und alles Mögliche
andere. Jetzt kommt auch noch Corona, das bekanntlich für Patient*innen mit
Vorerkrankungen besonders gefährlich ist.[2]
Am Bett, das sich immer stärker als Sterbe-,
denn als Krankenbett erweist, sitzen Angehörige und trauern auf die je eigene
Art und Weise, wie Angehörige und Betroffene das eben tun. Manche wollen es
immer noch nicht wahrhaben und googeln frenetisch nach noch einem Experten,
nach noch einer Therapie, nach noch einer All-In-Lösung, die alles irgendwie
wegzaubert. Andere sind schnell in die Wutphase gekommen und suchen vor allem „den“
Schuldigen. Kommen diese Menschen aus der Gemeinde, sind es „die da oben“ schuld,
also Kirchenkreise, Landeskirchen oder EKD, die alles kaputt sparen. Kommen sie
aus nicht-gemeindlichen Kontexten, sind es die Gemeinden Schuld, die viel zu
stark auf sich selbst bezogen sind und die klugen Konzepte nicht umsetzen, die
man ihnen vorlegt. Sind die Wütenden jünger, liegt es aus ihrer Sicht an den
Alten, die den Karren in den Dreck gefahren haben. Und so weiter. Die Suche
nach Schuldigen ist ein emotionaler Reflex, den man kaum vermeiden kann, weil
wir Menschen nun einmal so ticken. Sie ist eher Ausdruck von nachvollziehbaren
Gefühlen, keine ernsthafte Ursachenforschung. Eine solche bringt ohnehin wenig,
denn es ändert ja nicht viel daran, dass man mit der gegenwärtigen Situation umgehen
muss.[3]
„Aber Herr Doktor“, sagt Frau Müller mit tränenerstickter Stimme, „können
Sie denn gar nichts mehr für meinen Mann tun?“ Der Arzt putzt sich noch einmal
die Brille. Dann sagt er: „Unsere medizinische Kenntnis reicht nach heutigem
Stand nicht aus, um die Krankheit Ihres Mannes zu heilen oder nennenswert zu verlangsamen.“
„Ich will auch nicht ewig am Tropf hängen“, wendet Herr Müller ein und erinnert
an seine Patientenverfügung, die seiner Frau gerade herzlich egal ist. Der Arzt
nickt. „Aber wir können all unser Wissen dafür einsetzen, dass die letzte Zeit so
schmerzfrei, unkompliziert und würdevoll wie möglich gestaltet werden kann. Ich
würde daher gern schnellstmöglich einen Termin mit unserem Palliativ-Team
vereinbaren.“ Er reicht Herrn Müller eine Broschüre. Auf der zweiten Seite steht
erklärend: „Die Palliativmedizin widmet sich der Behandlung und Begleitung von
Patienten mit einer nicht heilbaren, progredienten und weit fortgeschrittenen
Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung sowie der Begleitung ihrer
Angehörigen. Die Palliativmedizin bejaht das Leben und sieht das Sterben als
einen natürlichen Prozess. Sie lehnt aktive Sterbehilfe ab.“[4]
Die Hinwendung zur Palliativmedizin markierte
einen starken Richtungsumschwung in der Schulmedizin, die, etwas hemdsärmelig
gesagt, vor allem auf Lebensverlängerung ausgerichtet war. Die früh Engagierten
dieser Bewegung erkannten das Befreiende im Akzeptieren des Unvermeidlichen –
was ihnen von Kolleg*innen nicht selten den Vorwurf einbrachte, sie würden
ihren hippokratischen Eid verraten, obwohl klar war, dass es nicht um
Sterbehilfe, sondern um Sterbebegleitung ging. Palliative Care bedeutet einen
Abschied von menschlichen und medizinischen Allmachtsfantasien, sie rechnet mit
dem Tod als unvermeidliche Konsequenz des Lebens und sieht die Aufgabe der Begleitung
darin, nicht dem Leben mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben zu geben. Deswegen
arbeitet Palliative Care multiprofessionell: Die Ärztinnen bringen ihre
Expertise dadurch ein, dass sie wirksame Schmerztherapien entwickeln,
Pflegekräfte unterstützen durch eine Versorgung, die einen so angenehmen
Aufenthalt wie möglich in der letzten Lebensphase gewährleistet, und Seelsorgende
helfen Sterbenden dabei, loszulassen, ihre Dinge zu ordnen und in Frieden und
Würde Abschied zu nehmen.
Die nächsten Wochen vergehen schnell. Herr Müller ist in einem
hellen, freundlichen Einzelzimmer untergebracht. Überhaupt hätten sie sich die
ganze Station, auf der er liegt, ganz anders vorgestellt. „Ich dachte immer,
auf so einer Sterbestation muss es ganz traurig zugehen“, sagt Frau Müller beim
Kaffeeholen zu einer der Schwestern. Die lacht. Und auch Herr und Frau Müller
lachen zwischendurch. Und führen Gespräche, die anders sind als früher. „Ich
bin so stolz auf dich, wie du das hier alles erträgst“, sagt sie eines Tages zu
ihm. Er sieht sie lange an, mit blanken Augen. „Du hast mir noch nie gesagt,
dass du stolz auf mich bist“, sagt er, und eine Träne kullert ihm über die
Wange. Zusammen geweint, das haben sie noch nie gemacht. Das ist neu. Und es tut
gut. Der Zustand von Herrn Müller verschlechtert sich rapide. Irgendwann kann
er nicht mehr aufstehen, das Reden, das Wachbleiben, Dinge in der Hand zu
halten, all das fällt zunehmend schwerer. Frau Müller bekommt von einer Schwester
gezeigt, wie sie ihm den Mund mit nassen Wattestäbchen auswischen kann. So
kommt er sogar noch an ein Bierchen. Er lächelt sie an, und es kostet ihn
unendlich viel Kraft. – Der Tag, an dem Herr Müller stirbt, ist ein sonniger. Lange
bleibt sie an seinem Sterbebett sitzen, denkt an Schönes und Schroffes zurück.
Am Abend sagt sie ihrer Schwägerin am Telefon: „Ich weiß gar nicht, was ich
machen soll…“ Sie sucht nach Worten. „Wie soll das Leben ohne meinen Harry
gehen? Aber… diese letzte Zeit, die war…“ sie senkt die Stimme und flüstert: „Irgendwie
auch schön. Die hat uns nochmal näher zusammengebracht.“ Beide weinen ein bisschen
am Telefon, dann ruft Frau Müller den Bestatter an.
Unsortiertere Gedanken zu einer palliativen Ekklesiologie
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Palliative
Ekklesiologie meint eine Lehre von der Kirche, die nicht nur mit dem Abbau
einzelner Gemeinden, sondern auch mit dem Ende der Kirche in der uns bekannten
Form rechnet. Es gibt ohnehin keine biblisch fundierte Lehre von einer ewigen
Kirche[5],
geschweige denn in einer bestimmten Organisationsform. Wie die frühen
Palliativpioniere werden auch ihre Vertreter*innen sich den Vorwurf gefallen
lassen müssen, dass sie ihren Auftrag verraten. Das ist durchzustehen, denn
auch hier sind unvermeidliche und notwendige Emotionen am Werk, und auch hier
geht es darum, Allmachtsfantasien[6]
aufzugeben.
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Palliative
Ekklesiologie entlastet dadurch von der unweigerlich zum Verzweifeln führenden
Suche nach dem Heiligen Gral in Form eines einzelnen Rezepts, durch das alles
wieder gut wird. Sie gesteht sich die Unumkehrbarkeit der Entwicklungen der
letzten Jahrzehnte ein und befreit so zu einem Blick auf ein neues Ziel: Das
Ende würdevoll zu gestalten.
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Palliative
Ekklesiologie stellt die unbedingte Würde des Sterbenden in den Mittelpunkt. Die
Suche nach der individuellen Schuld des Sterbenden an seinem Schicksal hat in
diesem Bestreben keinen Platz, weil sie entwürdigend und irreführend ist: Das
Sterben ist die unvermeidliche Konsequenz des Lebens. Palliative Ekklesiologie
ist daher realistischer und vor allem gnädiger als alle kybernetischen Modelle,
die einseitig auf Wachstum, Innovation oder zumindest Besitzstandswahrung
abzielen.
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Palliative
Ekklesiologie bejaht das Leben, das heißt: Sie leistet keine Sterbehilfe. Sie
ermöglicht es, funktionierende Teilsysteme zu erhalten und zu fördern –
einzelne Gemeinden, einzelner Regionen können aufgrund ihrer Nachhaltigkeit
auch den volkskirchlichen Systemkollaps überleben und in anderer juristischer
Form weiterbestehen. Es gibt keinen Grund und keine ethische Grundlage dafür,
in solchen Fällen alle Stecker zu ziehen und die Geräte abzuschalten. Zugleich
schärft sie den Blick dafür, dass Maßnahmen, die auf eine rein quantitative
Lebensverlängerung abzielen, nicht die einzige und vor allem nicht die
wünschenswerteste Lösung darstellen.
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Palliative Ekklesiologie
weiß um die ungeheure emotionale Intensität, die eine bewusst gestaltete letzte
Lebensphase haben kann. In der bullshitfreien Zone rund um das nicht mehr
länger verleugnete Lebensende wird Raum frei für Aufarbeitung, für das Benennen
persönlicher Schuld und für Vergebung, für das Ordnen der Dinge, für manchmal
völlig neue Formen der Nähe. Es klingt paradox, aber: Die letzte Zeit ist von
Trauer und Abschied durchfurcht, aber sie kann auch wunderschöne und intensive
Momente bereithalten, die die Sicht der Überlebenden auf das Leben für immer
verändern.
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Palliative
Ekklesiologie braucht wie Palliative Care multiprofessionelle Perspektiven. Sie
kann Erkenntnisse und Kompetenzen aus der freien Wirtschaft aufnehmen (Exnovation,
Change Management), Ansätze und Methoden aus Therapie und Beratung (Trauerbegleitung,
Ritualforschung) integrieren und braucht einen verlässlichen ethischen Kompass,
um an der äußersten Grenze verantwortungsvoll navigieren zu können.
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Palliative
Ekklesiologie kann die öffentliche Relevanz von Theologie, Spiritualität und
christlichem Glauben deutlich machen, indem sie Vorbild ist für den würdevollen
Abbau anderer verdienter und traditionsreicher Institutionen, die ihr Lebensende
erreicht haben. Dieses Potenzial hat allerdings deutliche Grenzen, denn:
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Palliative
Ekklesiologie zieht ihre Motivation und ihre Begründung ultimativ aus dem
Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi. Christus ist gestern und heute und
auch in Ewigkeit derselbe. Dadurch verliert der Wandel der kirchlichen
Organisationsformen trotz aller Trauer seinen Schrecken. Schuldlosigkeit ist
nicht durch ein sündenfreies Leben, sondern nur durch Gottes Versöhnungsangebot
zu haben. Daher braucht es keine Illusion, irgendeine Organisationsform der
Kirche könnte oder müsste jemals perfekt sein. Das öffnet sogar gedankliche
Räume, die zum „fröhlichen Sündigen“ (M. Luther), zumindest zum wilden
Experimentieren einladen. Christus ist nach seinem Tod auferstanden, und er zieht
alle mit sich. Palliative Ekklesiologie kann damit rechnen, dass Gott nach
Abschied, Sterben und Tod Neues schafft. Und dass das Zweite erst nach dem
Ersten kommen kann. Ohne freien Fall keine Erfahrung: Ich bin getragen. Ohne Umkehr
keine neuen Perspektiven. Ohne Sterben keine Auferstehung.
[1] Gemeint ist
hier wie im Übrigen nicht die Kirche als theologische und damit zumindest in
Teilen theoretische Größe, sondern der in Deutschland volkskirchlich verfasste
Mainstream-Protestantismus.
[2] Aber
schon vorher dürfte klar geworden sein: Keine dieser Therapievorschläge wird
die Volkskirche in entscheidender Breite retten. Einzelne Gemeinden werden
sicherlich von temporären Aufbrüchen profitieren können, aber aufs Ganze
gesehen sind das Erfolge bei der Symptombehandlung.[2]
Es ist rein rechnerisch nicht möglich. In Formulierungen ausgedrückt, die
derzeit in aller Munde ist: Um eine Volkskirche bundesdeutscher Dimension mitgliedermäßig
bloß stabil zu halten, müssen a) die Geburten die Todesfälle ausgleichen (was
sie nicht tun). Und selbst, wenn das der Fall wäre, müsste b) der
Reproduktionsfaktor bei 1.0 liegen. Das hieße zum Beispiel, wenn man keine
Nicht-Mitglieder von außen anwirbt (was die Kirche nicht tut), dass ein
evangelisches Elternpaar ihre Kirchenbindung an zwei Kinder weitergeben muss,
und zwar dauerhaft. Da schon die erste Bedingung nicht zutrifft, ändert die
zweite, so sie denn gegeben wäre, auch nichts am Abwärtstrend, und der ist so
gewaltig, dass keine Erweckungsbewegung in einer historisch bekannten Größe das
ausgleichen könnte.
[3] Ein
kleiner Exkurs: Oft fordern Gemeinden (und hier oft Pfarrer*innen) mehr
Personal, vor allem mehr Pfarrer*innen. Viele fürchten sich vor der
Unüberschaubarkeit von Gemeindegrößen, die mit einer Pfarrstelle pro dreitausend
(oder, auf den Inseln der Seligen, zweitausend) Mitgliedern rechnen.
Hintergrund ist die Annahme, dass mehr Pfarrer*innen mehr Kontaktfläche zur
Kirche bieten und sich dadurch die Kirchenbindung verbessert. Es gibt aber gute
Gründe dafür, dass die Annahme falsch ist. Erstens ist die Arbeit dadurch nicht
zwingend gemeindeorientierter (wer mit einem Orgel-Agende-alte
Leute-Sonntagsmorgengottesdienst nichts anfangen kann, dem ist es egal, ob er
sich „seine“ Pfarrperson mit 1000, 2000 oder 3000 anderen teilt. Zweitens sind
Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge nicht ganz so einfach. Wer sich entscheidet,
sein Kind nicht taufen zu lassen, tut das ja nicht, weil er oder sie keinen
Termin mit der Pfarrperson bekommt (zumindest die allermeisten nicht), sondern
weil sich nicht erschließt, wozu das gut sein sollte. Drittens zeigt die
Historie, dass die Entwicklung der Pfarstellensituation alles andere als
singulär ist: In Preußen waren um die vorletzte Jahrhundertwende Pfarrer
durchschnittlich für rund 2.500 Gemeindeglieder zuständig. Das sind absolute
Durchschnittswerte mit deutlichen Ausreißern nach oben und unten, beschreiben
aber trotzdem eine Situation, die unserer nicht unähnlich ist. Und: Dort, wo
Pfarrer nur für rund 700 Menschen zuständig waren, haben sie pro Jahr
proportional genauso viele Konfirmationen wie ihre Kollegen mit dreitausend
oder mehr Gemeindegliedern. Und das sind ziemlich wenige, wenn man bedenkt,
dass die Taufquote durchgehend bei 93–99% liegt. – Das sind jetzt etwas aus der
Hüfte geschossene Schlussfolgerungen, aber die Zahlen sind verlässlich und
nachzulesen bei Oliver Janz, Bürger besonderer Art. Evangelische Pfarrer in
Preußen 1850–1914 (VhHKB 87), Berlin u. a. 1994, 509ff.
[4] https://www.dgpalliativmedizin.de/allgemein/ueber-uns.html.
Es gibt andere und umfassendere Definitionen, aber für diesen Kontext reicht
sie aus.
[5] Diesen Irrtum
lutherischer, katholischer und orthodoxer Ekklesiologie hat Karl Barth korrigiert,
vgl. Christengemeinde und Bürgergemeinde, in: Ders., Rechtfertigung und Recht.
Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich ²1979 (Theologische Studien 104), 53.
[6] Selbst bei
Gemeindegrößen von 500 Mitgliedern pro Pfarrperson ist es eine Illusion, diese
könnte mit allen Mitgliedern persönlichen Kontakt pflegen, geschweige denn
einen emotional und theologisch-geistlich gehaltvollen.