Nicht so richtig Sauerteig, sondern ein Ciabatta mit Poolish. Braucht aber auch Zeit. |
Jesus, die Männer und das Backen
Jesus stammte ja bekanntlich
aus einer Familie von Zimmerleuten, allerdings scheint er auch Ahnung vom
Backen gehabt zu haben, zumindest lässt das klitzekleine Gleichnis in Matthäus
13,33 entsprechendes Interesse erkennen:
Das
Himmelreich gleicht einem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter einen halben
Zentner Mehl mengte, bis er ganz durchsäuert war.
Ich
glaube ja, dass es von Bedeutung ist, dass Jesus hier eine Tätigkeit als
Beispiel nimmt, die in der antiken Gesellschaft den Frauen in den Privathäusern
vorbehalten und kaum akzeptables Gesprächsthema von „richtigen“ Männern in
aller Öffentlichkeit gewesen sein dürfte. Aber das alles führt jetzt doch ein
wenig ab vom Thema – oder doch nicht?
Jedenfalls:
Sauerteig. In Schweden ist das, maßgeblich vorangetrieben von profilierten
Foodbloggern wie Martin Johansson, so ein Koch- und Backtrend der letzten Jahre
gewesen, bei dem vor allem junge Männer (dortzulande liebevoll als surdegspappor
– Sauerteigpapas bezeichnet) ihren eigenen Sauerteigansatz hegen und pflegen
und die Familie mit selbstgebackenem Brot und einer versauten Küche beglücken.
Ich gehöre selbst zu der Fraktion und bin fest davon überzeugt, dass ich, wenn
ich einmal ungeplant früh das Zeitliche segnen sollte, bei einer
Mehlstaubexplosion mit meiner Küche in die Luft fliege.
Manchmal
frage ich mich, was am Brotbacken eigentlich so toll ist, dass ich manchmal
wöchentlich besagte Mehlstaubexplosionen riskiere, meine Küche mit zementartigen
Teigresten zukleistere, meinen Tag nach Gärzeiten plane und den Ofen mit
Backsteinen zerkratze? Ein bisschen Snobismus ist sicherlich dabei, da brauche
ich gar nicht so tief in mich reinzuhorchen, um das zu wissen. Es hebt
in den Milieus, in denen ich mich freizeitlich bewege, schon den sozialen
Status, wenn man mit nonchalanter Selbstverständlichkeit erwähnt, dass man sein
Brot selber backt. Und zwar nicht mit Backmischungen oder (noch schlimmer)
Brotbackautomaten – das ist wie Karaoke oder Vollplayback in der Küche -,
sondern so richtig-richtig.
Die bewundernden Oh’s und Ah’s, die
man damit erntet, haben wiederum damit zu tun, dass Selbermachen im Trend
liegt. Laut Hanni Rützler, Ernährungswissenschaftlerin am Wiener
Futurefoodstudio, weil wir in unserer volldigitalisierten Lebens- und
Arbeitswelt das Handfeste und buchstäblich Hausgebackene wiederentdecken.
Deswegen verschenken wir Holundersirup und laden unsere Marmeladenkochfotos bei
Facebook hoch. Ich glaube, beim Brotbacken verstärkt sich das alles um ein
Vielfaches, weil man hier das befriedigende Gefühl bekommt, den gesamten
Produktionsprozesses eines Grundnahrungsmittels, das wie kein anderes in
unserer Gesellschaft für Essen überhaupt steht, von Anfang an selbst in der
Hand zu haben. Und während Chili-Knoblauch-OIivenöl, Bärlauchpesto und
Pflaumen-Koriander-Marmelade ausgesprochene Luxusgüter sind, ist so ein gutes
Graubrot, wie Oma sagen würde, „was Reelles.“
Dass gerade Männer für den
Sauerteigtrend sehr anfällig sind, mag an der Art der Herstellung liegen: Wer,
wie ich, fürs Filigrane nicht geschaffen ist, hat eben mehr Spaß an einem
groben Roggenmischteig, bei dem man nicht alles bis aufs Gramm genau abwiegen
muss, der aber eine gute halbe Stunde geknetet werden will, dicke Unterarme
macht und aufgrund seines Symbolcharakters den Eindruck vermittelt, man könne
sich und die Seinen mit der eigenen Hände Arbeit ernähren. Und wenn dann das
dampfende, duftende Brot aus dem Ofen kommt und das Brotmesser sich durch die
dunkelbraune Kruste und das luftig-weiche Innenleben arbeitet, hat man eine
willkommene Gelegenheit, für den Moment alle Diätvorsätze über den Haufen zu
werfen und sich drei daumendicke Scheiben mit guter Butter drauf reinzuziehen –
was so ursprünglich und wohlschmeckend ist und sich so bodenständig und richtig
anfühlt, kann ja gar nicht ungesund sein.
Ab Montag: Die Sauerteig-Challenge!
Wer immer schon mal selbst Brot backen wollte,
aber nie wusste, wie das geht, ist hier genau richtig, denn die nächste Woche
bei den Kirchengeschichten steht im Zeichen der Sauerteig-Challenge! Ich lade
Euch ein, mit mir einen Sauerteig from scratch herzustellen und parallel
dazu ein paar Gedankenspielen nachzugehen, was das eingangs erwähnte Gleichnis
vom Sauerteig mit dem praktischen, handfesten Leben im Hier und Jetzt zu tun
haben könnte. Und mit dem wahnsinnigen und immer wieder gewagten Versuch von
Menschen, hier in dieser Welt gemeinsam ein bisschen Himmelreich zu spielen.
Am Montagmorgen geht es los mit den ersten Schritten eines Sauerteigansatzes. Dazu
braucht man warmes Wasser und Roggenmehl (ruhig und gerne Vollkorn). Ein
ausgespültes Gurkenglas oder ähnliches. Und maximal zehn Minuten Zeit. Das
Ganze ist also auch ohne Probleme in einer normalen Fünftagewoche machbar. Und wer einsteigen will, kann heute noch bequem einkaufen gehen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen