Montag, 23. Dezember 2013

Projekt: Menschwerdung

Eine Weihnachtsgeschichte

 




„Ich muss doch sehr bitten! “ Frenetisch mit einem goldenen Glöckchen bimmelnd, versuchte der Vorsitzende, sich Gehör zu verschaffen. Nur langsam verebbte das aufgeregte Durcheinanderreden, ein paar Stühle wurden zurecht geschoben, und alle Augenpaare im großen himmlischen Tagungsraum 3.1 richteten sich auf den hoch gewachsenen Engel, der soeben die abschließende Sitzung des Projektausschusses Menschwerdung eröffnet hatte. Heute Abend sollte es soweit sein:
„Unser großes, ja, vielleicht sogar unser größtes Projekt aller Zeiten, steht kurz vor seiner Vollendung!“ deklamierte der Vorsitzende nicht ohne Pathos, doch das erschien ihm angesichts der Bedeutsamkeit des Moments und der aus seiner Sicht längst fälligen und nun endlich in greifbare Nähe gerückten Beförderung zum Erzengel durchaus angebracht. 

„Heute Abend ist es soweit: Das, worauf wir schon eine Ewigkeit hinarbeiten, steht kurz vor seiner Realisierung: Gott wird Mensch!“ Er machte eine dramatische Pause und blickte bedeutungsschwanger in die Runde. Nachdem er sich der ungeteilten Aufmerksamkeit seiner Zuhörer versichert hatte, setzte er erneut zu seiner kleinen, wohl einstudierten Ansprache an und ließ seine Stimme vor Dramatik beben:
Mit den Worten des großen Jesaja gesagt: Heute wird das Volk, das im Finstern wandelt, ein großes Licht sehen, und über denen, die im finstern Land wohnen, wird es hell scheinen.  Denn uns wird ein Kind geboren, und die Herrschaft wird auf seinen Schultern ruhen...“

Er unterbrach sich, als er neben sich ein Räuspern hörte. Irritiert wandte er sich zu seinem Protokollanten um, einem älteren Engel mit hängenden Schultern, der demonstrativ auf das Zifferblatt seiner goldenen Taschenuhr wies. 
„Äh, ja“, fuhr er fort, nun wieder in normaler Stimmlage und etwas geschäftsmäßigerem Ton. „Kommen wir also zu unserer heutigen Tagesordnung, und wenden wir uns den Berichten aus den Arbeitsgruppen zu. Vielleicht möchte das Cateringteam beginnen?“ 
Seine Augen suchten den Raum ab und blieben an einem vollschlanken Engel mit dicken, rosigen Wangen, sorgfältig gezwirbeltem Schnurrbart und einer Kochmütze auf dem Kopf hängen. Dieser räusperte sich und stand auf.

„Mit den Sitzungsunterlagen haben wir euch ja unsere Menüvorschläge zukommen lassen. Denen, die das nicht gelesen haben, sei nur gesagt: Wir können uns auf was freuen! Gänsebraten, Rotkohl, Bratäpfel, Klöße, Weihnachtsschinken…“ Versonnen leckte er sich die Lippen. Ein hagerer, etwas verhärmt aussehender Engel am anderen Ende des Tisches schüttelte den Kopf und ließ seine Hand in die Höhe schießen.
„So ein Unsinn“, schnarrte er, „Schinken ist nicht koscher, das darf doch niemand essen!“ „Und was ist eigentlich mit Manna?“ wandte ein anderer Engel ein. Zustimmendes Murmeln erhob sich unter den Anwesenden, doch der Vorsitzende hatte schon wieder nach seinem Glöckchen gegriffen. 
„Also bitte“, mahnte er ungeduldig, „wenn wir so weitermachen, werden wir nie fertig. Wir haben das ausführlich diskutiert und uns darauf geeinigt, dass mit diesen kulinarischen Einschränkungen ein für alle Mal Schluss sein muss, wenn mit dem Projekt Menschwerdung wir unsere Zielgruppe universal erweitern wollen.“ „Und Manna ist doch soooo vorletztes Jahrtausend“, stöhnte ein junger Engel mit zerzausten Haaren, modisch-altmodischer Hornbrille und lose um den Hals geschwungenen Schal, dessen Namensschild ihn als Leiter der Abteilung „Creative Development“ auswies.
„Eben,“ stimmte der Vorsitzende zu, „Manna hatten wir schon, und wir waren uns alle einig, dass es dieses Mal etwas Größeres sein sollte. Wenn das Medizinteam weitermachen würde?“ 
Ein älterer Engel im Arztkittel, der unter seinem Heiligenschein einen Stirnspiegel trug, warf einen Blick auf das vor ihm liegende Klemmbrett. „Gerne. Trotz der ungewöhnlichen Begleitumstände hat sich die Schwangerschaft ganz normal entwickelt, der errechnete Geburtstermin wird aller Voraussicht nach eingehalten. Der werdenden Mutter geht es den Umständen entsprechend gut, trotz der Strapazen der letzten Tage.“ Der Vorsitzende nickte zufrieden und wandte sich einem kräftigen Engel mit weißem Overall und einer Baseballcap mit der Aufschrift „Transport und Spedition“ zu, der gerade von einem mitgebrachten Butterbrot abgebissen hatte. 
„Läuft“, mampfte er und spülte, den missbilligenden Blick des Vorsitzenden ignorierend, mit einem Schluck aus einer Bierflasche nach. „Maria und Josef haben unseren besten Esel bekommen, ein prachtvolles Exemplar.“ 
Als er wieder in sein Butterbrot biss, erhob sich ein schlaksiger, recht junger Engel in tailliert geschnittenem Anzug und strich sich mit der Hand über seinen Seitenscheitel, der sich keinen Millimeter bewegte. 

„Dann mache ich mal für die Abteilung ‚Kommunikation und Marketing‘ weiter. Wir verfolgen eine Marketingstrategie, die auf mehreren Säulen ruht. Erstens“, er streckte den Daumen für alle sichtbar aus, „Ankündigung durch Engel. Das hat sich für uns bewährt. Aber wir waren auch sicher, dass die klassische mouth-to-mouth-Kommunikation in diesem Fall nicht ausreicht. Deswegen“, nun streckte er den Zeigefinger aus, „lassen wir zweitens nicht nur einzelne Kollegen auftreten, sondern riesige Engelschöre an zentralen Stellen.“ 

Hier wurde er von einem Engel mit silbern wallender Mähne unterbrochen, der die ganze Zeit auf Notenblätter gekritzelt hatte, die überall um ihn herum verstreut lagen. „Ich habe für diesen Anlass ein ganz neues Werk geschaffen, das versucht, die Magie des Augenblicks in Musik zu fassen“, jodelte er und griff unter den Tisch, von wo er eine kleine goldene Harfe hervorholte. Er zupfte eine Saite, summte leise und schmetterte ohne Vorwarnung los: „Gloo-hohohohoho-hooo-hohohoho-hoooo…“
„Jaja, ist schon gut“, unterbrach ihn der Vorsitzende, dem solcherlei musikalische Einlagen eher gleichgültig oder, wenn sie seinen minuziös ausgetüftelten Zeitplan zu sprengen drohten, sogar lästig waren. „Wir haben doch keine Zeit. Wenn jetzt die Kreativabteilung weitermachen könnte?“ Der behornbrillte und beschalte Kreativengel war bereits aufgesprungen und zu einer bereitstehenden Flipchart gehuscht. Mit großer Geste riss er das oberste Blatt ab. 
„Wir haben uns ja wirklich die Köpfe heiß geredet, auch mit den Kollegen von der Marketingabteilung“ – hier grinste er in Richtung des Angesprochenen, doch der starrte nur verbissen auf die Flipchart. „Wir haben uns zu einer umfassenden Strategie entschlossen, um ‚Weihnachten‘ als Markenzeichen hoher Qualität zu etablieren, das aber als Produkt für jedermann…“ 
Ein Engel, den man für ein weibliches Exemplar hätte halten können, wenn derartige Kategorien auf die himmlischen Heere anwendbar wären, räusperte sich laut und anklagend. „Und jede Frau erschwinglich ist“, fuhr der kreative Geist in versöhnlichem Tonfall fort und riss ein weiteres Blatt von der Flipchart ab, auf der nun zwei senkrechte Balken prangten. „Dabei steht auch unser Konzept auf zwei Säulen: Tradition und Innovation!“ Die anwesenden Engel raunten anerkennend, das klang professionell. Durch die Zustimmung seiner sonst eher skeptisch veranlagten Kollegen  angestachelt, flatterte der Vortragende aufgeregt mit den Flügeln. „Dabei spielen wir bewusst mit zentralen Elementen unserer himmlischen corporate identity: Prophetensprüche! Die sind gerade unserer Stammkundschaft geläufig, ihr wisst schon: ‚Eine Jungfrau wird schwanger werden‘, ‚Tochter Zion, freue dich, jauchze, Jerusalem‘ und so weiter.“ 

„Dazu könnte ich ein Lied schreiben!“ knödelte der himmlische Hofkompositör, der bereits seine Harfe gezückt hatte, verstummte jedoch wieder, als ihn ein giftiger Blick des Vorsitzenden traf. Unbeirrt nahm der Kreativengel den Faden wieder auf: 
„Die zweite Säule ist unsere Kampagne…“, hier machte er mit Zeige- und Mittelfinger beider Hände in der Luft kleine Anführungszeichen, „Kein Ohr hat je gehört, kein Aug‘ hat je gesehn. Repräsentative Befragungen, was der Mann von der Straße von diesem Event erwartet, haben einen ganz klaren Schwerpunkt ergeben, den wir fast wortwörtlich zu unserem Slogan gemacht haben.“ 




Mit großer Geste riss er das vorletzte Blatt von der FlipChart ab. FRIEDE AUF ERDEN, stand dort nun in güldenen Lettern zu lesen, und die übrigen Mitglieder der Projektgruppe brachen spontan in Beifall aus. Ein wissendes Lächeln umspielte die Lippen des Kreativengels, als er die Begeisterungsstürme mit einer nonchalanten Handbewegung dämpfte – den Clou hatte er ja noch gar nicht verraten. 
„Das Herzstück unseres Merchandisingprogramms haben wir euch übrigens gleich mitgebracht.“ Hier klatschte er in die Hände, und wie aus dem Nichts tauchten Helfer aus seiner Abteilung auf, die quietschbunte Pakete unter den Anwesenden verteilten. Unschlüssig drehten die Engel diese in ihren Händen hin und her. Der Musikengel hielt seines ans Ohr und schüttelte es, ließ es aber enttäuscht wieder sinken, als es keine Töne von sich gab. Der himmlische Sternekoch schnupperte prüfend an seinem Päckchen herum und biss probeweise hinein, sein Kollege vom medizinischen Fachpersonal horchte seins mit dem Stethoskop ab. 




„Und was soll das sein?“ fragte der Vorsitzende irritiert. Der Kreativengel bedeutete ihnen, auszupacken, und in das sich daraufhin ausbreitende Geraschel mischten sich freudig-überraschte „Oh!“s und „Ah!“s, als der Speditionsengel einen Duftbaum, der Kochengel eine neue Mütze, der Musiker einen Dirigentenstab und der Vorsitzende ein Heiligenschein-Polier-Set auspackte. Nur der Protokollant starrte stirnrunzelnd auf die Nylonstrumpfhose, die er aus seinem Paket hervorgeholt hatte. „Ups“, kicherte der Kreativengel, „da ist wohl was schief gelaufen. Aber wir können das umtauschen“, beruhigte er die Verwaltungsfachkraft. Dann wandte er sich wieder der Runde zu.
„Wir nennen das Weihnachtsgeschenke, und wollen damit in Erinnerung rufen, dass das, was die Menschen von uns bekommen, gratis ist, dass sie nichts dafür tun oder zahlen müssen.“
Sein Kollege aus der Marketingabteilung, der die ganze Zeit schon mit einiger Skepsis im Blick seinen Ausführungen zugehört und auch als Einziger sein Päckchen nicht ausgepackt hatte, konnte sich nun nicht mehr zurückhalten.
„Ich habe es ja bei unseren Vorbereitungstreffen schon mehrmals gesagt“, presste er hervor und ließ für niemanden einen Zweifel daran, dass er sich hier übergangen fühlte, und das nicht erst seit gestern, „dass ich aus marketingpsychologischer Sicht große Schwierigkeiten damit habe!“ Verwundert sahen die Engel ihn an. Was konnte man an einer so hübschen Idee auszusetzen haben? Ihr Verkaufsexperte schüttelte den Kopf.
„Überall auf der Welt ist klar: Wat nix kost‘, ist nix. Wir signalisieren damit doch nur: Das, was wir anzubieten haben, ist billig!“ Das letzte Wort spuckte er förmlich vor sich auf den Tisch. Der Vorsitzende blickte erschrocken auf sein Paket, schob es ein wenig von sich und murmelte etwas von einem „berechtigten Einwand“. Fragend sah er den Urheber dieser offensichtlich gar nicht so unumstrittenen Idee an, doch dieser ließ sich nicht aus dem Konzept bringen und lächelte, nicht ohne einen kleidsamen Anflug von Siegesgewissheit, in die Runde.
„Das Risiko haben wir natürlich auch gesehen. Dem wirken wir entgegen, indem wir eine ganze Kultur des Schenkens fördern wollen, die sich speziell mit dem Event Weihnachten verbindet. In Absprache mit den Kollegen aus der entsprechenden Abteilung haben wir den ausländischen Ehrengästen auch schon hochwertige Weihnachtsgeschenke zukommen lassen, die sie beim Festakt dem Kind überreichen: Gold, Weihrauch und Myrrhe.“
„Das ist überzeugend“, entschied der Vorsitzende und wandte sich dem soeben angesprochenen Diplomatenengel, der sich seit der letzten überirdischen Strukturreform nunmehr „Moderator International Relations“ nannte, seine großbürgerlich-konsularische Attitüde jedoch nie abgelegt hatte, zu: „Apropos – wie sieht es denn eigentlich mit unseren Ehrengästen aus?“
Der Diplomatenengel nickte knapp, justierte sein Monokel und erhob sich würdevoll. Sein schwerer Tweed knarrte. „Wir konnten drei hochrangige Persönlichkeiten aus dem Morgenland gewinnen…“ begann er, verstummte jedoch, als der Dirigent der Himmelschöre ein begeistertes Glissando vernehmen ließ. „Oh, wie wundervoll!“ operte er und wühlte summend in seinen Noten, „ich könnte noch drei Solostimmen für mein grandioses Werk schreiben…“ Der soeben Unterbrochene ließ sich nicht aus seiner über Jahrhunderte auf dem diplomatischen Parkett erworbenen Ruhe bringen und fuhr unbeirrt fort:

„Wir liegen exakt im Zeitplan. Die Kollegen aus der Wetterabteilung haben uns einen Stern zur Verfügung gestellt, der ihnen den Weg weist…“ Hier meldete sich der Protokollant zu Wort und monierte, dass dies eines Antrags bedürfe, der noch nachträglich genehmigt werden müsse. Ärgerlich winkte der Vorsitzende ab und deutete dem Diplomaten, weiter zu berichten, doch dieser war bereits am Ende seiner Ausführungen angelangt und hatte sich knarrend wieder hingesetzt.
„In ein paar Tagen dürften sie in Bethlehem sein“, versicherte er. 

Ein Raunen erhob sich im Saal, die Engel tuschelten und zischten aufgeregt durcheinander. Der Vorsitzende, der zusammengezuckt war und dabei sein goldenes Glöckchen vom Tisch gefegt hatte, schlug mit der Faust auf den Tisch und rief seine Projektgruppe zur Ruhe. Nun hielten sie den Atem an, alle Augen waren auf den Diplomatenengel gerichtet.

„Äh, du sagtest: Bethlehem..?“ hob der Vorsitzende fragend an. Der für das internationale Ressort Zuständige nickte. „Du meinst: Jerusalem“, schlug der Vorsitzende vor, nicht ohne nervöses Zittern in der Stimme. Der Diplomatenengel schüttelte unbeirrt den Kopf. „Aber wir hatten doch gesagt: Jerusalem!“ rief der Vorsitzende, und seine Stimme drohte sich zu überschlagen. „Oder?“ wandte er sich Hilfe suchend an den Protokollanten. Der blätterte in seinen Unterlagen und zitierte schließlich aus dem entsprechenden Protokoll: Die Geburt des Gottessohnes und die sich anschließenden Feierlichkeiten sollen an geeigneter Stelle unter Beteiligung größtmöglicher Öffentlichkeit stattfinden, in Klammern: Vorzugsweise Tempelvorplatz oder Königspalast.“
„Da haben wir’s: Jerusalem!“ bellte der Vorsitzende, der nun endgültig kurz davor war, sämtliche Fassung zu verlieren und den Diplomaten an seinem Tweedkragen zu packen und zu schütteln. „Wie um alles in der Welt kommt ihr auf Bethlehem?!“
Der Angeschriene ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und schnippte mit spitzen Fingern ein imaginäres Staubkorn von seinem Revers. „Wir haben uns strikt an die Angaben gehalten, die uns das Tagungsbüro übermittelt hat.“ 
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und wandte sich dem Vertreter des Tagungsbüros zu, einem relativ neu in ihren Kreis hinzugetretenen Praktikanten, der während der letzten Minuten immer kleiner geworden war und auf dessen Stirn winzige Schweißperlen glitzerten, als sämtliche Anwesenden ihn entgeistert anstarrten.
„Ich verlange eine Erklärung!“ röhrte der Vorsitzende, der sich inzwischen aus seinem Stuhl erhoben hatte. 
„Nun ja“, stammelte der arme Praktikant, „das Problem war, dass in Jerusalem alles restlos ausgebucht war, wegen dieser Volkszählung. Die Augustus angeordnet hat. Und Josef musste sowieso nach Bethlehem gehen, weil von dort stammt…“
Der Marketingengel versuchte, die Wogen zu glätten. „Ist doch nicht so schlimm“, lenkte er ein, „immerhin ist auch Bethlehem wegen König David als Markenname etabliert…“
„Ja und?!“ falsettierte der Kreativengel und fuchtelte so heftig mit Händen und Flügeln, dass ihm seine modisch-altmodische Hornbrille von der Nase rutschte. „Das kulturelle Leben pulsiert nun einmal in Jerusalem, und zwar nur da. Bethlehem ist dagegen totale C-Lage und als location denkbar ungeeignet und total ab vom Schuss! Wenn wir Dorfromantik gewollt hätten, hätten die gleich in Nazareth bleiben können.“ 
Der Tagungsbüropraktikant, entschlossen, seine eigene und die Ehre seiner Abteilung zu retten, entgegnete: „Nun wollen wir mal nicht übertreiben. Natürlich haben wir in Bethlehem das erste Haus am Platz reserviert. Ich habe mich persönlich davon überzeugt, dass es unseren Ansprüchen vollauf genügt…“
Der Kochengel zog sich vor Verzweiflung die Kochmütze tief über die Stirn. „Wie sollen wir denn das ganze Catering jetzt nach Bethlehem kriegen?“ jammerte er.
„Kriegen wir nicht hin“, teilte der Speditionsengel mit, nahm einen Schluck aus der Bierflasche und rülpste leise.
„Das hat doch alles keinen Sinn“, schnappte der Vorsitzende, „wir müssen das Ganze abblasen oder zumindest verschieben! Und alles wegen dieser verfluchten Volkszählung!“ Sein Protokollant nickte zur Bestätigung. „Wir haben gar keine Beschlussgrundlage dafür, das in Bethlehem stattfinden zu lassen. Und der Dienstweg muss eingehalten werden“, mahnte er mit erhobenem Zeigefinger.

„Eben.“ Das Entsetzen des Vorsitzenden war einer hektischen Betriebsamkeit gewichen. „Ich schlage vor, wir bringen Maria und Josef auf dem schnellsten Weg nach Jerusalem, bevor irgendjemand etwas merkt.“
„Kriegen wir nicht hin“, beschied der Speditionsengel, der die Spitzengeschwindigkeit seines besten Esels besser einschätzen konnte als die anderen.
„Können wir sie nicht einfach entrücken?“ fragte der Kreativengel. „Das hat bei anderen ja auch geklappt.“ Die Engel klopften zustimmend auf ihre Tische, doch da mischte sich der Arztengel ein, der sich bislang zurückgehalten hatte:
„Aus medizinischer Sicht muss ich energisch widersprechen. Das sind Strapazen, die wir einer Schwangeren so kurz vor der Entbindung keinesfalls zumuten können. Außerdem sind die Menschen, die wir entrückt haben, nie wieder irgendwo aufgetaucht.“
Der Protokollant winkte ab; eine Entrückung konnten sie in ihrem Kreis gar nicht beschließen, dafür brauchte es eine Genehmigung von höchster Stelle. Auch der himmlische Chefmusiker, dem man auch nur etwas von Bethlehem gesagt hatte, sprach sich dagegen aus; seine himmlischen Chöre seien bereits vor Ort und eingesungen und könnten unmöglich in so kurzer Zeit nach Jerusalem fliegen, zumal man dort den sorgfältig geplanten und geprobten Auf- und Abtritt noch einmal ganz neu inszenieren müsse.

Ein penetrantes Klingeln durchbrach die ratlose Stille, der Praktikant bekam einen hochroten Kopf, murmelte leise eine Entschuldigung und zog sich zum Telefonieren in eine Ecke zurück, aus der man ihn aufgebracht flüstern hörte. Mit zitternden Flügeln kam er schließlich zurück und sackte auf seinem Platz zusammen.
„Jetzt ist es sowieso zu spät, Maria und Josef sind soeben in Bethlehem eingetroffen. Es gibt da nur ein kleines Problem…“
„Was denn noch?!“ stöhnte der Vorsitzende.
„Es hat da wohl eine Doppelbuchung gegeben“, hauchte der Praktikant. „Der Herbergsvater hat sie wieder weggeschickt, weil alles belegt war…“
„Soll das heißen, der Gottessohn kommt unter freiem Himmel zur Welt?“ empörte sich der Protokollant. „Mitten im Winter?!“
„Ganz so schlimm ist es nicht“, winkte der Praktikant beschwichtigend ab, ohne dabei besonders überzeugend zu klingen. „Wir haben kurzfristig eine Ersatzunterkunft auftun können…“
„Wo denn?“ lästerte der Marketingengel. „In einer alten Karawanserei?“
„Nein“, piepste der Praktikant. „In einem Stall…“

Nun schrien die Engel durcheinander. Der Gottessohn in einem Stall! Bei Ochs und Esel! Nur der musikalische Schöngeist unter ihnen schien die Tragweite der Katastrophe nicht begriffen zu haben:
„Wunderbar“, säuselte er und griff nach seiner Harfe, „das ist doch der Stoff für ganz neue Musik! In einer Höhle zu Bethlehem…“ Der himmlische Medizinaloberrat schnitt ihm das Wort ab. Er könne dies auf keinen Fall zulassen, da man keiner Frau zumuten könne, unter derartigen Bedingungen ihr Kind zur Welt zur bringen. Den Einwand des seit Anfang der Sitzung um politische Korrektheit besorgten Engels, dies sei doch, Gott sei es geklagt, gar nichts Ungewöhnliches, wischte er mit einer ärgerlichen Handbewegung weg. Hier sei schließlich nicht die Rede von irgendeinem x-beliebigen Zimmermannssohn. 

„Und was ist mit dem Publikum?“ rief der Marketingengel. „Wir haben ausdrücklich gesagt: Unter Beteiligung größtmöglicher Öffentlichkeit.“ Der Protokollant konnte auf die entsprechende Stelle in der letzten Sitzungsniederschrift hinweisen. Da hellte sich das Gesicht des Praktikanten auf, der nun die Chance sah, zu beweisen, dass er auch in Stresssituationen besonnen reagieren konnte.

„Das haben wir geregelt“, versicherte er, „unser Außendienstmitarbeiter hat ein paar Hirten mit ihren Schafen organisiert“, doch diese engagierte Improvisationsleistung stieß, gelinde gesagt, auf wenig positive Resonanz:
„Schafe und Hirten“, fauchte der Kreativengel, „warum nicht noch ein paar Zöllner und Pharisäer und Huren?!“ Der Praktikant dachte für einen kurzen Moment, dies sei ernst gemeint, besann sich jedoch eines Besseren und schwieg.

Der Vorsitzende hatte in der Zwischenzeit mit einiger Mühe wenigstens ein wenig Fassung wiedererrungen. In dieser Krisensituation waren Führungsqualitäten gefragt.
„Das hat alles keinen Zweck“, entschied er, „nochmal: Wir müssen das abblasen. Zum Glück kommen die Gäste aus dem Morgenland erst in ein paar Tagen.“ Er wandte sich an den Protokollanten. „Du rufst sofort in der Chefetage an und sagst ihnen, dass unser Projekt geplatzt ist und wir das Ganze absagen.“
„Gibt es dafür einen Beschluss?“ fragte dieser in die Runde, und als die Engel zustimmend auf ihre Tische klopften, zog er sich zurück, um ein wichtiges, wenn auch aller Wahrscheinlichkeit nach höchst unangenehmes Telefonat zu führen. 

Im aufgeregten Durcheinander fiel es zunächst niemandem auf, dass der Arztengel sich an die Brust fasste und ein kleines Gerät aus seinem Kittel holte, ungläubig auf das Display starrte und sich schließlich seufzend gegen die Rückenlehne seines Stuhls sinken ließ. Langsam verstummten die anderen. Mit geschlossenen Augen massierte er sich die Schläfen.

„Es ist zu spät“, presste er hervor. „Entbindung ohne Komplikationen verlaufen. Mutter und Kind wohlauf, Kind in Windeln gewickelt und in Krippe gelegt.“

Eine Schrecksekunde lang sagte niemand ein Wort, dann flatterten die Engel aufgeregt durcheinander. Der himmlische Küchenchef versuchte, noch etwas Manna zu organisieren, der Marketingengel krächzte aufgeregte etwas von Medien! Medien!, der Leiter der Kreativabteilung dachte eher praktisch („Wir brauchen andere Geschenke – was sollen die mit Gold und Myrrhe im Stall?!“), der Diplomatenengel forderte energisch eine standesgemäße Unterkunft für die ausländischen Gäste, der Vorsitzende ließ seinen Kopf mehrfach auf die Tischplatte fallen, der Praktikant lachte hysterisch, und einige Engel flatterten einfach kreischend im Kreis herum, weil sie nicht wussten, was sie tun könnten. 

Ein Ruf des Musikus ließ die Engel verstummen. „Horcht nur“, jubelte er, „die himmlischen Chöre – sie singen, sie singen so wunderschön!“ In der Tat: Wie aus weiter Ferne hörten die Engel den ergreifenden Gesang vieler tausend Stimmen, der von unten her emporstieg und Himmel und Erde wie mit einem Netz von goldschimmernden Fäden überzog, und die ganze Welt schien stillzustehen und zu lauschen: „Und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“ Und durch den mächtigen Gesang hindurch tanzte das freudige Krähen eines Säuglings.

Dann war der Zauber verflogen, und die Engel stoben auseinander. Die letzte Sitzung der Projektgruppe Menschwerdung war beendet.

 Zurück blieb nur der Vorsitzende. Wie in Zeitlupe bückte er sich und hob sein goldenes Glöckchen auf. Eine Weile wiegte er es in seiner Hand, dann ließ er es in seiner Aktentasche verschwinden. Er würde es nicht mehr brauchen. Der Traum von der Beförderung zum Erzengel war von einer Sekunde auf die andere verflogen, wie eine schillernde Seifenblase, die Zentimeter vor dem Gesicht zerplatzt und deren kleine, fiese Tropfen die Augen brennen lassen. Wie hatte das alles nur so schief gehen können?

 „Ähem.“ Er zuckte zusammen, als er hinter sich den Protokollanten sich räuspern hörte, der unbemerkt von seinem Telefonat mit der Chefetage zurückgekommen war. Er setzte sich neben seinen Vorgesetzten und starrte auf die Tischkante. Eine Zeitlang sagte niemand ein Wort. Schließlich brach der Vorsitzende das Schweigen. 
„Und?“ fragte er und suchte den Blick seines Sitznachbarn. Der holte tief Luft und schüttelte nachdenklich mit dem Kopf. „Offenbar“, begann er, und es schien, als traue er den Worten nicht, die seinen Mund verließen, „offenbar ist man dort oben sehr zufrieden, wie es gelaufen ist.“ Der Vorsitzende starrte ihn ungläubig an. „Nun ja“, fuhr er zögernd fort, „ich habe mit einem Kollegen aus der Chefetage gesprochen, und der hat mir – unter dem Siegel der Verschwiegenheit natürlich – von merkwürdigen Aktenvermerken erzählt, die er gefunden hat: Engel mit Flammenschwert an Augustus zwecks Anordnung einer Volkszählung. Engel an Herbergsvater zwecks Stornierung der Reservierung Maria und Josef und Aufwärmen des Stalls. Und so weiter.“
„Du meinst, das ist alles von oben so geplant gewesen?“
„Offenbar.“
„Das alles?“ rief der Vorsitzende. „Gottes Sohn kommt wie irgendein armes Kind in einem Stall zur Welt, die Hirten kriegen es als erste mit, alles fernab vom Weltgeschehen?!“
„Scheint so“, nickte der Protokollant.
Der Vorsitzende legte den Kopf in den Nacken und ließ ein kurzes, resigniertes Lachen hören. „Er hält sich nicht an den Dienstweg, wie?“ fragte er und zeigte mit dem Daumen nach oben.
„Und auch nicht ans Protokoll!“ ergänzte der Protokollant lächelnd.

Ein Rumpeln unterm Tisch ließ sie zusammenfahren. Dort lag, von ihnen bis jetzt unbemerkt, der Speditionsengel. „Läuft“, grunzte er, und rülpste im Schlaf.
„Na dann… Frohe Weihnachten.“
„Frohe Weihnachten, Chef.“

(Die Geschichte gibt es hier als Krippenspiel.)

Sonntag, 22. Dezember 2013

Prädig övver Jes 52,7 - Predigt im adventlichen Kölschgottesdienst



 
  

Staats un fing sin däm Freudebotte sing Fööss, 
wann hä övver dr Birg eranjeschrömp kütt

un jet Jots ze verzälle hät, Fridde un Rettung aankündig 
und för dr Zijonsstadt säht: Dinge Jott es dr Künning!

Uns Adventszick es för dies Johr bald öm, noh zwei Dääch, dann kütt de Chreßdaachszick. Övvermorje es ald dr Hellije Ovend, un wie ich mich dat esu selvs sage hüür, künnt ich ald widder der Zidder kreje: Es dat widder esu wick, wat mööt ich nit all noh flöck kaufe, Jeschenke enpacke, en mingem Fall och noh e paar Prädije schrivve, all dä Krom, dä noh ze besorje of ze don es. Und wann ich esu op die Adsventszick zeröcklor, muss ich sage: Minge Fööss sin nit esu staats und fing övver dr Trottewar jedanz wie die vun däm Freudebotte, dä övver dr Birg kütt un jet Johds ze verzälle hät. Minge Fööss han mr off wieh jedon, sin övver dr Stroß jefääch, jerannt, jestolpert, övver aandre Lücks Fööss drövverjelaufe ov janz iggelig und hibbelig op dr Stell jetrodde, wann ich ens waade mooht.  Wann ich janz ihrlich bin: E Freudebotte ben ich miets nit jewesse en dr letzte Wööch, ich han off nix Johts ze verzälle jehadt. Meeschtens han de Lück vun mir aanderes ze hüüre kreje: Nää, war wor dat widder e Gedrängels en dr Stadt, die janze träntelbotzije Poppeköpp op dr Stroß. Un nää, wat han ich ald widder Buchping vun dr janze Plätzcher, die ich do widder bei dr Jroß müffele moot und vun däm janze klävverije Jlöhwing op all denne Adsventsfiere… Dobei hatt ich mr janz fass vüürjenomme: Dies Johr weedt et all janz anders, dies Johr jangk ich dr Advent janz höösch aan, ben besinnlich und jedöldig… un wat soll ich üch sage? Et hät nit jeklapp.


Dat es in eetster Linnije ming Problem, weil ich mr selvs de Möglichkeit nemme, ens zeröckzeschalde un övver mi Lävve nohzedenke, einfach ens in Rauh ze simeleere, wie et mr eijentlich im Momang esu jeiht, ov et irjendsjet em Lävve jitt, wat ich ändere kann, ov mer irjendsjet fähle däht. Dann och, wann mr et kaum jläuve kan zwesche all däm Jebimmele un Jeblinke em Dezember – dr Advent es zick Alders her och e Fastezick gewesse, un dat heiß e Jelejenheit, öm e Deil vun däm Krom un däm Brass, dä uns em Alldach rungertreck un schwer mäht, affzeleje.


Dat Janze bedriff ävver nit bloß mich – denn wä weiß? Vielleicht han ich en all däm Brass och Minsche övversin, die et eijentlich nüdig han, dat mr denne jet Johts verzällt, die vielleicht janz heimlich drop waade, dat e Freudebotte zo inne kütt, dä för se säht: Do, wo do jrad steihst, is noh lang nit Engstation, och wann et dir esu vürkütt. Do, wo et dir dr Sproch verschlage hät, es et letzte Woot noh nit jesproche. Dat, wat do jrad vür Auge häst, es noh nit et Engk vum Leed. Hinger dr Muur, vür dä do steihs, jeiht et wigger, däht sich e neue Welt op.


Esu wie die Minsche, die domols dä Satz us dr Prädig zoeescht jehoot han: Minsche us däm Volk Israel, die dr Kreeg fottjeresse un en e fremde Land jespölt hatt. Do soße se, met Trone en dr Auge, un woren am Kriesche, am Kriesche öm die Zukunff en dr Heimat, öm die mr se jebraht hät, am Kriesche öm dr Tempel, öm Joddes Huus, dat mr enne kapott jeschlage hät, öm all die Dräum, die jetz en Schirve loge. Un se frogten sech, off jetz all am Engk wör, off Jott, vum däm se esu lang nix jehoot hatte, sich bloss versteche däht, oder of hä se ein för alle Mol em Stech hät jelosse.


Ävver do, op eimol hürt mr e Jetrappel vun hingerm Gebirg, vun dr aandere Sick, vun do, wo se nit selvs hinkomme künne. Un se hüre e Stemm, die jet Jots ze verzälle hät, e Freudebotte, dä vür se säht: Nä! Öör Jott hät üch nit verjesse, hä hät met üch noh jet vür. Dat er he en Knäächschaff sitz, in enem fremde Land, dat er ungerm Rejalt vun fremde Minsche puckele moot – su soll et nit iwig sin, doför hät üch dr leeven Jodd nit jeschaffe.


Un manchmol es dat jo ald jenoch. Dat einer kütt un säht: Nä, loß dr nix verzälle, do hähs jo Rääch, et es nit all joht, esu, wie et es. Dat einer kütt un en aandere dovun avhällt, sich met zewinnig zefridde ze jävve, sich allzick klein ze maache of maache ze losse.


För dr Minsche, die dr Freudebotte zoeesch jesin un jehoot han, sollt es noh e Zicklang dore, bis dat se widder noh hus komen. Ävver et wor jet passeet: De schwatze Wolkedecke üvverm Kopp wor e Stöckche opgeresse. Em Düstere wor e Leech aanjestoche woode, un se kunnte selvs wiggermaache. Manchmol es och dat jenoch: Dat ümmes kütt un e klei Löchelche en dr Blos pitsch, in dä mr sitze, dat wedder e beßje Luff erinkütt un mr widder frei odeme kann.


Vill mieh broch mr vun ennem Freudebotte nit verlange. En däm Rümche, övver dat hück ze prädije es, heiß et jo, dat hä Fridde un Rettung aankündigt un denne, die em zohüre, jet verzällt – ävver nit, dat hä selvs all dat bewerkstellige künnt.



Vill mieh broch mr vun ennem Freudenbotte nit verlange – ävver vill winniger och nit. Sicher jitt et Lück, die sage: Minsch, do beß doch hück morje noh dr Kirch hingeschrömp, do sähst doch vun der selvs, dat do e Chresteminsch beß – dann kumm ens he un nemm mr all mi Problem aff! Dat es ja vielleicht dat, wo mr bang vör es, wann mr ene süht, däm et nit joht es. Do kann mr nur sage: Tät mr leid, ich kann nit di Lävve för dich levve. Ävver vielleich sitz do einer en dr Nohbarschaff, em Bürro of irjendswo op dr Stroß, dä säht: Do jeihst doch noh dr Kirch hin – sag, häs do nix zo verzälle? Häste do nix jehoot, wat de wiggersage kanns, häst do vun do nit e janz klein Leech metjenumme, dat och minge Kabäusje e beßje jet wärme un hell maache künnt?



Staats un fing sin dr Fööss vun däm Freudebotte, wann hä övver et Jebirg eranjeschrömp kütt. Un ich fingk mich selvs off jar nit esu staats un fing, dat ich vun mr selvs sage künnt, ich wör als Freudebotte kwalifizeet. Ävver vielleich denk ich do och falsch eröm: Et es ald e paar Moonde her, do kunnt mr em Internet janz off e klei Text lesse, do stund: Noah wor en Suffkraat. Abraham wor en ahle Bemm. Mose wor e Speimanes. Isaak wor e Döspitter, David wor e Bellrämmel un e Föttchesföhler, Leah wor en schäbijen Fresen, Rahab wor en Allemannshor, Lazarus wor duhd, Maria wor en unverhierodt Mäd un schwanger un de Lück däte sich dr Muul övver se zerrieße, Paulus wor e Krangköllich un e Heffebutsche – un do meins, do wörst nit joht jenoch? Un op dr aandre Sick stund: Dr leeven Jodd rööf nit die zo sich, die besonders bejabt sin, hä bejabt die, die hä berofe hät. Un wann mr övver et Jebirg schrömp, wann mr door dr Matsch un Schnie talp – do kritt mr kei staatse, finge Fööss vun, em Jäjedeil: Do wääde de Fööss dreckelig un knubbelig un kräje Schrome. Ävver för dä, dä hingerm Gebirg sitz un nur drop waat, dat irjendsümmes zo im kütt un im säht: Do beß nit allein,  is dat et schönste, wat hä zick langem jesinn hät.



Leeven Jemeinde, vürjestern hat ich met dr Mam telefoneet, un irjendswann frogt se: Saach, häs do eijentlich schon e Chressdaachsbäumche? Nä, san ich, woröm? Do beß joht, sät se, am Dinstag is ald dr Hellije Ovend! Loor leever, dat do jetzt eine beischaffs, süns es et noher ze spat und mr sitze ohne Tannejröns zo hus. Un ich moht en dr Kalender spingse un daach: Leeven Jodd, se hät ja Rääch. Es dat ald widder esu wick?! Wat mööt ich nit all noh flöck kaufe, Jeschenke enpacke, en mingem Fall och noh e paar Prädije schrivve, all dä Krom, dä noh zo besorje of ze don es. Un jetz denk ich: Wat läuf eijentlich falsch em Lävve, dat ich e Freudebotte nit erkenn, wann hä vür minger Dör steiht of, in däm Fall, wann sei mir en et Uhr blöök: Bald es dr Hellije Ovend. Fridde un Rettung för dr Welt. Dr Här es Künning, un hä mölsch sech ungers Volk. Un hä kütt nit eets dann, wann mir denke, dat mr paraat sin, nä, hä kütt, wann et nüdig es. Zwei Adsventsdääch han ich noh. Mi Fööss don mr wieh un ich ben eijentlich e beßje ze möd för jetz jroß em Jebirg erömzeklemme. Ävver dat nemm ich mr vür för dr nöhste Dääch: Wann irjendsümmes kütt un am küme es, weil morje of övvermorje ald Chressdaach es – dann saach ich: Et weed hühste Zick.

Un ich saach em op dr Kopp zo, wat dä Paulus si Bajaasch en Philippi jeschrivve hät: Mer kann et nit off jenoch sage: Doot üch freue. Der Här eß noh.  Vör allem loht üch nit jeck maache vun Sorje öm et Levve, nä, loot kumme, wat kütt. 
Un wä weiß, vielleich fange mi Fööss dann noh en dr letzte Atzventsdääch aan ze danze.



Amen.




Wer Vokabeln nachschlagen muss - die Akademie för uns kölsche Sproch hält ein kleines, aber feines Onlinewörterbuch zur Hand. Der obige Text folgt allerdings nicht der offiziellen Akademierechtschreibung, weil es mir bei einem Manuskript um Lesbarkeit, nicht lexikalische Ordnung geht.