Dienstag, 25. März 2014

Nachlese zum Dingens...Gottesdienst: Es war sehr gut!


Zu den besonders beglückenden Erfahrungen kreativen Arbeitens, und das Entwickeln und Ausprobieren neuer Gottesdienstformen fällt ja auch darunter, gehören diese Momente, in denen alles anders läuft als geplant - und es dann trotzdem oder gerade deswegen richtig gut wird. Manchmal ist es aber auch schön, wenn Konzepte sich als tragfähig erweisen. So, wie das vorgestern der Fall war beim hier schon ausführlichst beschriebenen Spoken-Word-Gottesdienst (oder "Gottesdienst mit Poetry-Slam-Elementen" oder wie auch immer man das jetzt genau nennen soll - wie sagt man auf Schwedisch so schön? Kärt barn har många namn - Ein liebes Kind hat viele Namen...).

DER ABLAUF


Wie geplant, war der liturgische Rahmen auf Wesentliches konzentriert, gewissermaßen als Gegengewicht zum wortfokussierten Verkündigungsteil. In der Praxis bedeutete das: Freie Begrüßung, die zum liturgischen Votum überleitete und an wichtigen Gelenkstellen acht- und sparsame liturgische Moderation. Mit Harald Schroeter-Wittke (der hat in der Pastoraltheologie mal viel Gutes dazu geschrieben) bin ich der Meinung, dass liturgische Moderation „[d]ie Gemeinde als Subjekt des liturgischen Geschehens ernst“ nimmt, indem sie „eine Atmosphäre der Freundschaft, der Gleichberechtigung, der Begegnung auf Augenhöhe“ schafft, „Tradition und Situation gleichermaßen zur Sprache bringt“ und so „Elementarisierung als Horizonterweiterung“ anbietet. Voraussetzung ist dabei natürlich die Professionalität des/der Moderierenden, die wie eine gute Fremdenführerin einen Weg durch fremdes, unbekanntes Gelände zeigt, ohne den eigenen Zauber der Sehenswürdigkeiten durch zuviel Plauderei zu zerstören. Vor allem der Performance-Teil brauchte eine solche Moderation, um den Ablauf zu erklären - und zu begründen, dass es sich eben nicht um einen Slam handelt, d.h. um keinen Wettstreit, an dessen Ende Gewinner und Verlierer feststehen. Nach den Textperformances wurde der Bibeltext, aus dem der Stichwort gebende Vers ("Und Gott sah, dass es gut war") verlesen und konnte in der folgenden Stille nachklingen.

RÜCK- UND AUSBLICK

Wie schon gesagt - das gute Gefühl steht am Ende, dass das Konzept aufgegangen ist. Die Text-Performances waren großartig und standen in aller Verschiedenheit in dem großen Zusammenhang, den der priesterliche Schöpfungsbericht vorgab. Wie schon bei einigen Predigten ist mir aufgefallen, dass tradierte Worte auf eigentümliche Weise eine neue Dignität bekommen, wenn sie als bewusst gewählte Textbeiträge vorgetragen werden. In der Slam-Poetry-inspirierten Predigt über die Sturmstillung waren das Gesangbuchverse, die, von anderen Reimen umrahmt, plötzlich überraschend modern klangen und große Ausdruckskraft entfalteten. Und nach den Texten der Poet_innen erwartete man den Bibeltext mit einer anderen Spannung als nach dem allsonntäglichen "Die Lesung für den heutigen Sonntag steht in...". Memo dabei an mich: Gen 1,1-2,4a ist extrem lang, selbst dann, wenn es sehr pointiert und gut vorgetragen wird. Überhaupt, die Länge: Ein Beitrag war kurzfristig weggefallen, sodass "nur" vier Texte performt wurden - nach Einschätzung der meisten Besucher_innen war das aber auch genug. Besonders eindrücklich war die Stille nach den Wortkaskaden und brausenden Applauswogen - hier ist mir noch einmal aufgefallen: Es braucht einiges an Ruhe und Willen, so eine Stille wirklich vier bis fünf Minuten auszuhalten, und nicht vorschnell das Signal zum Weitermachen zu geben. Aber: Es lohnt sich! 

Erfreulich auch: Die gemeindepädagogische Komponente. Was in den Vorarbeiten noch unter "Utopie" lief, die Freisetzung kreativen Potenzials bei den Gottesdienstteilnehmenden und der Anreiz zum eigenen Texten, erwies sich als hoffentlich segensreiche Folge schon dieses ersten Versuchs: Dreieinhalb Gottesdienstbesucher_innen erklärten spontan ihre Bereitschaft zur Mitwirkung beim nächsten Gottesdienst, in dessen Vorfeld auch ein Workshop stattfinden soll.

Mit etwas über fünfzig Gottesdienstbesuchenden (Mitwirkende nicht mitgerechnet) ist sicherlich noch Luft nach oben, aber die, die da waren (und von denen gut die Hälfte eben nicht in einen "normalen" Gottesdienst am Sonntagmorgen gehen), waren engagiert dabei und durch die Bank begeistert - das wird schon! Im Juni soll es ja weitergehen - mehr dazu zu gegebener Zeit hier oder auf der Gemeindehomepage

Einen Augenzeuginnenbericht gibt es übrigens auf der Homepages des Kölner Stadtkirchenverbandes

Und hier schonmal meinen Beitrag - leider audio only und in nur äußerst mäßiger Qualität. Auch das kann man beim nächsten Mal ändern, wenn sich jemand findet, der oder die in der Hinsicht kompetent ist (anyone...?). Weitere in Kürze!


Mittwoch, 19. März 2014

Eine Tischgemeinschaft, die keiner so recht haben will

Zum Welt-Down-Syndrom-Tag eine Passionsandacht von 2010, aus einer Reihe zu modernen Passionsdarstellungen.  

http://www.postkiwi.com/images/2007/4/mamedov-last-supper.jpg
Bildquelle: postkiwi.com
Liebe Gemeinde, unsere Reihe von Passionsandachten wird heute mit einem Ensemble aus fünf Fotografien von Raoef Mamedov eröffnet. Der Künstler wurde 1956 in Aserbaidschan geboren, ist heute, nach entsprechendem Studium und Praxis Professor an der Hochschule für Film und Fernsehdirektor in Moskau. Vor seiner Karriere als Fotograf arbeitete er als Sozialarbeiter in der Psychiatrie. Aus den offiziellen Biografien geht nicht draus hervor, was genau das für Einrichtungen waren, aber es ist davon auszugehen, dass die Zustände in einer geschlossenen Anstalt in der Sowjetunion der späten Siebziger andere waren als wir sie heute gewohnt sind. Sein Bild heißt: „Das letzten Abendmahl“ und ist, wie Sie wahrscheinlich auch erst einmal von Ferne erkennen können, eine Nachstellung des berühmten Gemäldes von Leonardo Da Vinci. 

Da sind sie alle, Jesus, die Jünger. Aber der Reihe nach. 

Jesus sitzt in der Mitte. Mit hängenden Schultern blickt er auf einen unbestimmten Punkt irgendwo neben seinem Teller. Der Teller ist leer, das Brot, das werden wir später sehen, ist unter den Jüngern geteilt. Geteilt, oder zerbrochen, wer weiß das schon. An seiner rechten Hand eine Brille, das Symbol des Gelehrten, des Rabbiners. Jesus sitzt von allen anderen getrennt und vielleicht sind es innerhalb der Passionsgeschichte diese kleinen Momente, in denen sich schon abzeichnet, dass Er einen Weg zu gehen hat, den niemand seiner Jünger mitgehen kann. Gerade hat er die Worte gesprochen, die die Gemeinschaft der Jünger aufsprengen und sie vereinzeln: „Einer von euch wird mich ausliefern, einer, der mit mir isst.“ Das schafft Unruhe am Tisch. Einer fragt den anderen: „Doch nicht ich!“, so schreibt die Bibel. Und die Jünger reagieren ganz unterschiedlich, aber doch so ähnlich und so nachvollziehbar auf diese Ankündigung, auf das Wissen, dass für Einen von ihnen ihre Gemeinschaft mit Jesus, ihre Gemeinschaft miteinander nicht soviel bedeutet hat, oder eben doch zu viel. 

Geht man von den allgemeinen Annahmen zu Leonardo Davincis Bild aus, so ist es Thomas, der Jesus hier drohend den Zeigefinger entgegenstreckt, denselben Zeigefinger, den er später in seine Wunde legen wird. Er scheint wütend auf Jesus zu sein, wie wir so oft im ersten Moment wütend auf den Überbringer schlechter Nachrichten sind, nicht auf die Verursacher selbst. Daneben Jakobus der Zebedaide, der Donnersohn, der mit seiner Geste und seinem abgelenkten Blick ins leere ganz klar macht: „Ich habe damit nichts zu tun!“ Philippus starrt Jesus ungläubig an, es ist nicht klar, ob er sich an die Brust fasst oder ob er sich sein Gewand enger um den Körper zieht, als wäre es plötzlich kalt geworden. Am einen Ende des Tisches, vermutlich sind es Matthäus, Thaddäus und Simon, herrscht Ratlosigkeit. Matthäus blickt seinen Nachbarn an, als erhoffte er sich von ihm ein erlösendes Lachen, eine Auflösung – war doch alles nur ein Scherz! Sein Nachbar Thaddäus zeigt ihm die kalte Schulter, er scheint sich zu Simon zu lehnen und misstrauisch ihn Richtung seines Nachbarn zu zeigen. Hier zeigt sich, dass die Frage: „Bin ich’s?“, wie sie in der Bibel noch als Erstreaktion der Jünger geschildert wird, auf lange Sicht wahrscheinlich für keinen Menschen auszuhalten ist und schnell zur Frage wird: „Meinst Du, der war’s?“ Simon der Zelot starrt mit hochgezogenen Augenbrauen vor sich hin, die Hände ausgebreitet, als zucke er die Schultern. „Wer versteht schon alles von dem, was Jesus so von sich gibt?“ Ihnen genau gegenüber, am anderen Ende des Tisches, herrscht ähnlicher Aufruhr. Bartholomäus hat sich von seinem Stuhl erhoben, stützt sich auf dem Tisch ab. Daneben Jakobus der Jüngere. Entgeistert starrt er Jesus an, aus seiner Geste ist für mich nicht ersichtlich, ob er ihn festhalten oder ob er den Verdacht, den Gedanken, Jesus selbst wegstoßen will. Andreas, der Bruder des Petrus, scheint den Verdacht mit den Händen abzuwehren, wieder: „Ich war’s nicht!“ Stiller scheint es um die nächsten drei zu sein, Petrus, Judas und den Lieblingsjünger. Letzterer ist, unschwer zu erkennen: Eine Frau, Mamedov hat das ewige Rätsel um die Figur in Davincis Bild für sich gelöst. Sie sitzt vom Bild her am nächsten bei Jesus, wie auch der Lieblingsjünger nach dem Johannesevangelium ihm oft am nächsten sitzt. Und vielleicht ist es diese Nähe, die es ihr möglich macht, zu akzeptieren. Sie faltet die Hände und senkt den Blick. Petrus sitzt da, einen Ellenbogen und eine Hand auf dem Tisch abgestützt, das Kinn hochgezogen, den Blick auf Jesus. Als warte er auf irgendeine Anweisung. Als meine er, irgendetwas tun zu können. Und dann Judas. Der mit ganz anderem beschäftigt scheint. Das Messer in der einen Hand, wendet er sich dem Lieblingsjünger zu und zumindest für mich sieht das nach eindeutiger Anmache aus. Ein doppelter Verrat an Jesus, sozusagen – zuerst liefere ich Dich aus, dann mache ich mich an die ran, die Du liebst. 

Liebe Gemeinde, eine Tischgemeinschaft, die keiner so recht will. So war diese Bildbetrachtung heute angekündigt. Und in der Tat möchte ich nicht an diesem Tisch sitzen, möchte ich so etwas nicht erleben - die Ankündigung, dass Einer die Gemeinschaft verraten wird, die gegenseitigen Anschuldigungen, das feige Flüstern der Einen und das unreflektierte Poltern der Anderen. Aber noch etwas macht diese Tischgemeinschaft zu einer, die keiner so recht haben will. Sie haben es längst gesehen, die Schauspieler auf dem Bild haben das Down Syndrom, eine Mutation, eine Trisomie des 21. Chromosoms, früher in locker-rassistischem Zungenschlag als „Mongolismus“ bezeichnet. Die Schauspielgruppe, mit der Mamedov 1997 über einige Wochen intensiv gearbeitet und dann eine Fotoreihe gemacht hat, sind alle gut jenseits der Dreißig. Wollte er das Projekt in ein paar Jahren wiederholen, hätte er größere Mühe, genügend Leute zu finden. Denn zwischen siebzig und neunzig Prozent der Kinder, bei denen eine Nackenfaltenmessung die Ängste der Eltern bestätigt, werden in der westlichen Welt nicht geboren. 

Mamedovs Bild macht mir deutlich, dass die menschliche, zwischenmenschliche und übermenschliche Gemeinschaft, die Gott in Jesus Christus gesucht und geschaffen hat, weiter ist als unsere schiefen und so veränderlichen Maßstäbe dafür, was gelungenes und gutes Leben ist. Und zwar nicht nur im Blick auf Gesundheit, Unversehrtheit, Kraft. Sondern auch im Blick auf Schuld und Versagen. Es tröstet mich, dass sich diese Szenen menschlichen Versagens, die im Bild aufgefangen, eingefroren sind, VOR dem letzten Abendmahl abspielen. Jesus sitzt und isst mit seinen Jüngern, obwohl – und vielleicht: weil sie Brüdermörder, Drückeberger, Skeptiker, misstrauische Lästermäuler sind. Dann gilt die Gemeinschaft auch uns, mit all unseren Fehlern, all unseren Schwächen, all unserer Schuld. Und der Friede Gottes…

Dienstag, 18. März 2014

Aus dem liturgischen Labor - Gedanken zum Spoken-Word-Gottesdienst

Die Idee, einen Gottesdienst mit Elementen aus der Welt von Spoken Word, Open Mic und Slam Poetry zu veranstalten, hat viele Väter und Mütter, ist entstanden aus einem etwas chaotischen, aber irgendwie auch inspirierenden Mischmasch aus den Entwicklungen in der Predigt- und Gottesdienstforschung, eigenen Wünschen und Bedürfnissen und Erfahrungen. Deswegen hier schonmal ein paar Gedanken zum Projekt - wie tragfähig das ist, wird sich am nächsten Sonntag herausstellen!

Plakatentwürfe...
 

"KRISE DER PREDIGT" UND DER GOTTESDIENSTE "IM ZWEITEN PROGRAMM"?

Von einer Krise der Predigt zu sprechen, ist nicht neu. Blättert man sich durch die homiletische Literatur, kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, „das Schiff, das sich Gemeinde nennt“, habe sich in den letzten 500 Jahren fast ununterbrochen und nur durch einige herausragende Kapitäne, Steuermänner und Schiffsausrufer vom endgültigen Stillstand bewahrt durch einen morastigen Sumpf aus schlechten Predigten gepflügt.

Bezog sich die Kritik über Jahrhunderte vor allem auf vermeintlich fehlende, unzureichende oder schlichtweg falsche theologisch-geistliche Inhalte, so steht in der jüngeren Vergangenheit zunehmend auch die Form der Kanzelrede im Fokus der Kritik, bis hin zur grundlegenden Infragestellung an das Genre des monologischen Vortrags, wie sie etwa Christopher von Lowtzow vorgetragen hat und die neben der ekklesiologischen Problematik einer Monopolisierung der Verkündigung auch veränderte Wahrnehmungsgewohnheiten und Anforderungen der Menschen im Medienzeitalter im Blick hat. Kurz gesagt: Eine viertelstündige Rede ohne jegliche Medienunterstützung ist youtube-verwöhnten User_innen nicht mehr zumutbar - außerdem widerspricht es dem Priestertum aller Gläubigen. 

Skeptischen Abgesängen auf die Redeform des Monologs halten andere (etwa Volker A. Lehnert) zu Recht die Erfolge von Comedians und Kabarettisten entgegen. Stehen diese vor allem für den unterhaltenden Aspekt öffentlicher Rede, so kommt seit der Jahrtausendwende eine vielfältige und sich einer stilistischen Zusammenfassung weitgehend entziehende Kunstform in den Blick, die neben dem delectare (Unterhalten) auch das movere (Bewegen) stark macht: Die Spoken Word-Bewegung und ihre in Deutschland derzeit populärste Erscheinungsform des Poetry Slam. Wikipedia schreibt Hochinteressantes dazu:
“Spoken word is a performance artistic poem that is word-basic. It often includes collaboration and experimentation with other art forms such as music, theater, and dance. However, spoken word usually tends to focus on the words themselves, the dynamics of tone, gestures, facial expressions, and not so much on the other art forms. In entertainment, spoken-word performances generally consist of storytelling or poetry […]. Since its inception, the spoken word has been an outlet for people to release their views outside the academic and institutional domains of the university and academic or small press. The spoken word and its most popular offshoot, slam poetry, evolved into the present-day soap-box for people, especially younger ones, to express their views, emotions, life experiences or information to audiences. The views of spoken-word artists encompass frank commentary on religion, politics, sex and gender, often taboo subjects in society.” 
Michael Herbst postulierte jüngst, das Potenzial der vielerorts seit den 1990erjahren etablierten und sich häufig an der in Willow Creek praktizierten Form der Seeker Services orientierten Gottesdienste „im zweiten Programm“ sei ausgeschöpft: 

„Ehrenamtliche Mitarbeiter sind erschöpft, da alternative Gottesdienste besonders arbeitsintensiv sind. Ferner gerät der Charakter der Veranstaltung als Gottesdienst ins Wanken. Die Teilnehmer sind häufig eher „Publikum“ und zu wenig „Gemeinde“; die Beteiligung ist entsprechend schwach. Außerdem haben Nicht-Christen keine schlechten Erfahrungen mit der Kirche, sondern gar keine Erfahrung. Sie sind neugierig zu erfahren, was und wie Christen ihre „richtigen“ Gemeinde-Gottesdienste feiern.“ 
(zit. n. Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 05/2014)
Gleichzeitig scheint sich ein gegenläufiger, die mittlerweile traditionellen "Zweites-Programm"-Gottesdienste mit ihrer oft sehr spezifischen Ästhetik ergänzender Trend abzuzeichnen, den man als "Retro-" oder "Vintage-Spiritualität" bezeichnen könnte: Traditionelle, oft hochliturgisch inspirierte Formen christlicher Spiritualität werden neu entdeckt und als bewusste Pausen vom Alltagsleben inszeniert. Das können Exerzitien und Stundengebete, lutherische Messfeiern (besonders erfolgreich etwa bei Nadia Bolz-Weber in Denver/Colorado) oder die Tradition des anglikanischen Even Songs sein. Ich frage mich, ob nicht auch die reformierte Tradition hier Anknüpfungspunkte bietet, wenn man, etwas hemdsärmelig vielleicht, die Reduktion liturgischer Elemente, den starken Fokus auf das Wort und ein hohes Maß an laikaler Mitwirkung als "typisch reformierte" Akzente sieht.

Bild: reformiert-info.de

Preacher Slam, poetische Predigten und ermutigendes Feedback


Wer regelmäßig in den Kirchengeschichten liest, hat es ja mitbekommen, dass das Thema Poetry Slam mich, u.a. in Vorbereitung auf den Preacher Slam in Düsseldorf, vor einiger Zeit ausführlichst beschäftigt hat, auch beim Predigen. Was mich, bei allem Spaß an der eigenen Fabuliererei, sehr bewegt hat, waren die Rückmeldungen: Von Kolleg_innen, die schrieben, sie hätten ganz neue Lust am Formulieren bekommen. Oder von Freunden und Verwandten, die plötzlich von eigenen (mir bis dato gänzlich unbekannten) schreiberischen Ambitionen erzählten, ihre eigenen poetischen Gehversuche mitteilten. Mich lehrt das: Das Format ist offenbar geeignet, auch bei den Zuhörenden kreatives Potenzial freizusetzen. Und das triggert mich doch ungemein, gerade im Blick auf die Frage nach dem Priestertum aller Glaubenden.

Was mich bei den Poetry Slams, die ich erlebt habe, sehr begeistert hat, ist die Vielfalt der Texte. Es ist sicherlich so, dass die humorvollen, stand-up-inspirierten Beiträge deutlich überwiegen - das wird auch am Kalkül liegen, denn mit Lustigem lässt sich meist am Einfachsten ein Kontakt zum Publikum herstellen, der dann zu mehr Punkten in der Wertung führt (davon bin ich selbst beim Preacher Slam ja auch ausgegangen). Aber es ist trotzdem Raum für andere Themen und Genres - da gibt es Wütend-Sozialkritisches, zum Teil auch Dramatisch-Autobiografisches (im letzten Beispiel wird die Grenze zwischen "persönlich" und "privat" für meinen Geschmack zu weit überschritten - aber das Format verträgt auch das offensichtlich). Auch das vielleicht bekannteste Poetry-Slam-Video von Julia Engelmann, das in den letzten Monaten Menschen aller Altersklassen bewegt hat, ist ja durchaus nachdenklich-kritisch. 

Das Feld möglicher Themen und Genres ist also, auch wenn sich sicherlich Schwerpunkte in der inhaltlichen Auswahl und Stilbildungen in der Performance abzeichnen (eine jugendliche Teamerin aus der Gemeinde fragte neulich: "Poetry Slam... ist das das mit der Schnappatmung?"), äußerst weit. Auch das halte ich für eine viel versprechende Voraussetzung. Beim eigenen Experimentieren mit Predigten und Slam Poetry ist mir außerdem aufgefallen, dass es außer den klassisch-traditionell orientierten Gemeindegliedern, die alternativen Predigtstilen (dazu gehören auch narrative und/oder am Konzept der dramaturgischen Homiletik orientierte Texte) eher skeptisch gegenüberstehen, auch solche gibt, die eine sehr hohe Toleranzschwelle und überhaupt keine Schwierigkeiten haben, etwa die Beiträge vom Preacher Slam als Predigten zu akzeptieren. 

Für den ersten Gottesdienst wurden speziell Leute angesprochen, darunter junge Theolog_innen und kirchenaffine Aktive aus der Poetry-Slam-Szene. Mein Traum wäre, dass sich bei einer Fortsetzung auch andere Menschen aus dem Umfeld der (Gottesdienst-)Gemeinde finden, die eigene Texte schreiben und performen, möglicherweise unterstützt durch spezielle Workshops. So könnte sich mittel- oder längerfristig die Verkündigung pluralisieren - das Potenzial ist höchstwahrscheinlich da!

Nach langem Hin und Her haben wir uns übrigens gegen den Slam-Charakter entschieden (das machte die Suche nach einem Etikett so schwierig...), das heißt, die Performenden treten nicht gegeneinander an - das erschien dem gottesdienstlichen Charakter dann doch irgendwie unangemessen. Die Leute sollen und dürfen ruhig klatschen; wenn Applaus im Gottesdienst auch unter manchen Kolleg_innen geradezu verfehmt ist, kann man darin auch den legitimen Wunsch nach einer Feedbackmöglichkeit oder einem Kommentar zum Gehörten verstehen - genauso, wie ja bekanntlich das "Amen" der Predigt auch Sache der Gemeinde ist.

DER GOTTESDIENST DRUMHERUM


Wenn der Fokus auf dem gesprochenen Wort liegt, dann bietet es sich an, den liturgischen Rahmen zu reduzieren. Nicht im Sinne einer Abwertung, sondern als Reduktion im Dienste der Klarheit und Konzentration auf Wesentliches. Das kommt mir persönlich entgegen, weil ich zunehmend nach "einfachen" Gottesdienstformen für mich suche, die gerade im Verzicht auf großes Brimborium die Partizipationsschwelle senken. Dass mir Hochliturgisches nicht liegt, dürfte regelmäßige Leser_innen nicht überraschen. Mir haben aber auch die o.g. Gedanken von Michael Herbst unmittelbar eingeleuchtet, weil die Gottesdienste aus dem "zweiten Programm" im Stil der Willow-Creek-Services, bei denen ich immer ausgesprochen gern mitgearbeitet habe, äußerst ressourcenintensive Events sind: Da braucht man eine Band. Dafür wiederum eine möglichst avancierte Musikanlage. Anspiele wollen geschrieben und aufgeführt werden, für meditative Aktionen und give aways muss gebastelt werden. Und so weiter. Das hat natürlich was, weil so sehr viele Menschen am Gottesdienst aktiv beteiligt werden können. Aber es ist eben nicht immer und überall machbar.

Wenn man sich zudem an der Ästhetik von Poetry-Slams orientiert, ergeben sich einige denkbare Eckpunkte: Klavier (vielleicht mit Schlagzeug) statt Orgel. Beleuchtungsakzente, die den Kirchenraum buchstäblich in anderem Licht erscheinen lassen. Eine aufgelockerte Sitzordnung. Und eine ausgewogene Mischung aus professioneller liturgischer Moderation (d.h. ohne übertriebenes Pädagogisieren) und gemeinsam gesprochenen Texten, die nicht unbedingt die Sprache der Lutherbibel atmen müssen, aber dennoch das Potenzial haben, geprägte Wendungen zu werden und damit einen Wiedererkennungswert zu erhalten und in Gebrauch genommen zu werden. Vielleicht auch, als Gegengewicht zur Wortlastigkeit des Mittelteils, eine Zeit der Stille. 

Soweit erstmal meine Überlegungen. Ich bin vor Sonntag extremst freudig-gespannt - und freue mich sehr über lautes Mitdenken von Interessierten! So long...

Und wer in der Nähe ist und live dabeisein will: Am Sonntag um 18 Uhr findet das Ganze statt, und zwar in der Christuskirche Köln-Dellbrück. Mehr Infos gibt es demnächst auf der Homepage der Gemeinde oder schon jetzt bei Facebook


Donnerstag, 13. März 2014

Es gilt! Das gesprochene Wort

Nur noch... zwölf Mal schlafen oder so... yippie!


Mehr und immer aktuelle Infos gibt es bei FB - und ein paar konzeptionelle Gedanken demnächst hier!

Donnerstag, 6. März 2014

Von Fallhöhen und heiligen Kühe - die Geschichte eines nichtgedruckten Cartoons

Huiuiui. Es wird scharf geschossen bei Kirchens. Stein des Anstoßes ist ein Cartoon, den ich für die westfälisch-evangelische Wochenzeitung Unsere Kirche (UK) gemacht hatte, der gestern über Facebook geteilt wurde und zu verhältnismäßig heftigen Diskussionen geführt hat. Hier ist das gute Stück:



Wie gesagt: Die Diskussion wird an manchen Stellen mit einiger Schärfe geführt. Da ist die Rede von "Herabwürdigung", von einer "erbärmlichen Karrikatur [sic]" und so weiter. Ich finde es gar nicht so schlimm, wenn Cartoons Anlass zu hitzigen Diskussionen bieten - das unterscheidet Karikatur, Satire und Kabarett von Bilderwitz, Schwank und Komödienstadl: Die letztgenannten Kunstformen sind ihrer Intention nach auf Breitenwirkung ausgelegt und arbeiten deswegen mit Pointen und Bezugsgrößen, die weitgehend konsensfähig sind, während die erstgenannten humoristische Überspitzungen nutzen, um kritische Akzente zu setzen und/oder Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen - und damit Parteilichkeit riskieren.

Nach gängigen rezeptionsästhetischen Maßstäben habe ich als Urheber keine Deutungshoheit über das Endprodukt. Aber ein paar Bemerkungen werde ich mir ja doch erlauben dürfen:

Vielleicht zuallererst: Eine Pointe zieht ihr komisches Potenzial aus der Fallhöhe, das heißt aus der Diskrepanz zwischen der erwarteten und der tatsächlichen Reaktion. Als Faustregel könnte man formulieren: Je geringer bei den Protagonisten die Fähigkeit zur Selbstdistanz und das Bewusstsein von Ambivalenz ausgeprägt ist, desto leichter fällt es, sie zu komischen bis hin zu grotesken Figuren zu stilisieren. Das macht es gerade bei Kirchens oft einfach, den Finger in die Wunde zu legen - weil wir generell alles, was wir sagen und tun, furchtbar ernst meinen.

Der Cartoon macht über keines der beiden benannten Phänomene eine inhaltliche Aussage, weder über den Karneval, noch über den Weltgebetstag "an sich". Aber er thematisiert eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung, zwischen Innen- und Außenperspektive, zwischen Anspruch und Wirkung. Ob man den Cartoon witzig findet, entscheidet sich damit vor allem daran, ob man eine solche Diskrepanz wahrnimmt oder nicht. Sprich: Wer im eigenen Arbeitsfeld überwiegend beglückende, tiefgehende, bewegende Erfahrungen mit dem Weltgebetstag gemacht hat, wird an dem Cartoon nichts Lustiges finden. Das ist nichts Schlimmes, im Gegenteil: Das zeigt ja, dass nicht überall diese Diskrepanz erlebt wird und dass sich das Konzept immer wieder als tragfähig erweist. Der Cartoon sollte diese Möglichkeit im Rahmen der zeichnerischen Möglichkeiten zumindest offen lassen: Die Protagonistinnen sind individuell kostümiert, haben also im Vorfeld ein hohes Maß an Eigeninitiative entwickelt - und sind offenbar bester Laune. 
Kleiner Schlenker am Rande: In einer Facebookdiskussion war es einem Kollegen wichtig zu betonen, dass der "Weltgebetstag [...] nicht karnevalistisch" sei. Abgesehen davon, dass da offenbar eine tradierte protestantische Karnevalsskepsis eine Rolle spielt, würde ich widersprechen. Wenn etwa in der Liturgie des Weltgebetstagsgottesdienstes deutsche Frauen um der Unmittelbarkeit der Identifikation Willen Texte in der Ich-Form vorlesen ("Mein Name ist Fatima, ich bin eine junge Frau aus Marokko" oder ähnliches), dann sind das karnevaleske Elemente in Reinform, nämlich als Spiel mit Identitäten. Ob solche Elemente ihr im Kern subversives Potenzial voll entfalten können, hängt wiederum davon ab, inwieweit die Vorbereitenden und die Ausführenden bereit sind, sich auf ein solches Spiel einzulassen.
Nun gibt es aber eben Menschen, die den Cartoon lustig finden. Und die kennen die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit offenbar aus eigener Erfahrung. Aus meiner Perspektive heraus sind das nicht gerade wenige - aber, und deswegen überraschen die heftigen Reaktionen letzten Endes auch nicht, es gibt zumindest auf Gemeindeebene so gut wie keine öffentlichen Diskussionen über den Weltgebetstag, weder über das generelle Für und Wider, noch über eine den lokalen Möglichkeiten und Bedürfnissen angemessene Gestaltung.

Von daher ist es vollkommen nachvollziehbar, dass manche den Cartoon weniger witzig finden als andere. Nachdenkenswert und, das will ich gar nicht verhehlen, problematisch erscheint mir aber, wenn Kritiker_innen die Möglichkeit einer Diskrepanz zwischen Idee und Umsetzung überhaupt nicht in Erwägung ziehen, wenn die Institution als Gesamtheit von Idee, Vorbereitung und Durchführung plötzlich als unantastbar erscheint und durch dicke Mauern aus programmatisch gestelzten Grundsatzerklärungen reflexartig geschützt werden muss: 


Das ist der lobenswerte Anspruch, ohne Zweifel. Ob aber diese Ziele de facto erreicht werden, hängt je und je auch von der Umsetzung ab. Und in der ecclesia semper reformanda muss jede Organisations- und Handlungsform grundsätzlich und ergebnisoffen diskutiert werden können, sonst verlassen wir unsere reformatorischen Grundlagen. Das gilt auch für den Weltgebetstag. Nicht so sehr für seine konzeptionellen Ausgangspunkte und Ziele - die sind im Übrigen äußerst lesenswert und, darüber dürften wir uns einig sein, im Kern ohne weiteres aus dem Evangelium ableitbar. Aber sehr wohl für die praktische Umsetzung dieser Ziele. 

Der Cartoon wendet sich nicht gegen den Weltgebetstag als solchen - höchstens gegen Eigenheiten der Umsetzung, die nach Meinung des Zeichners der (pardon my french) Marke empfindlich schaden können, die aber kaum öffentlich diskutiert werden. Und damit verbunden vor allem gegen eine kirchliche Diskussionskultur, der jeder Sinn für Humor und damit für die Ambivalenzen des Lebens abhanden kommt. Das passiert, zum Beispiel dann, wenn bestimmte Institutionen unter der Hand zu heiligen Kühen erklärt werden, die nur etwas krampfig umtanzt und bierernst gestriegelt, nicht aber hinterfragt, geschweige denn zum Gegenstand humoristischer Auseinandersetzungen gemacht werden dürfen. Für ein kirchliches Milieu, das sich allenthalben die "Freiheit" auf die Fahnen schreibt, ist das peinlich und sehr schwach. Und es ist schade, denn auf diesem Weg wird der Weltgebetstag, einer der weltweit größten laikalen und interkulturellen Bewegungen, zumindest in Deutschland aussterben, weil jenseits der gut vernetzten Ökumene- und Genderreferate die Trägerkreise zunehmend vergreisen und vereinsamen.

Dass die UK den Cartoon nicht abgedruckt hat, ist aus politischen und ökonomischen Motiven verständlich. Bedauerlich ist es ein bisschen, weil die Debatte so wieder nur auf einen inner circle begrenzt bleibt. Für mich war die kurze Diskussion trotzdem interessant, weil ich etwas über Tabuisierungsmuster und Unantastbarkeitsregeln im binnenkirchlichen Diskurs gelernt habe. Da harrt noch Vieles der humoristischen Aufarbeitung, und das Thema ist spannend genug, um es mit (täterä!) dem hundertsten Blogeintrag der Kirchengeschichten zu würdigen. 



Sonntag, 2. März 2014

Vum Chrestus jeck jemaht - Predigt im Karnevalsgottesdienst über 1Kor 4,10 und Mk 3,20f.


Leev Jeckinne un Jecke! 

Dat hürt mr em Fasteleer esu manches Mol. Esu fängk e Büttenredde aan, wend sech dr Prinz aan et Volk, un am Äschermettwoch es Schluss domet, die Aanredde kütt en dr selve Kess, en dä mr och Pappnaas, Schellekapp un all de andere Pluute un Kostömcher verstich. 

Leev Jeckinne un Jecke, en dr Kerch hürt mr dat och nit esu off. Em Joddesdeens op Kölsch, am Sundaach zwesche Wieverfastelovend un Äschermettwoch, do läss mr et sech jo jefalle, ävver stellt üch ens vüür, mr köme en dr Fastezick domet aan. Leev Jeckinne un Jecke. Wie ich die Dääch e Fründ us Westfale vun unse Joddesdeens op Kölsch verzällt hat, do saht hä: Macht, was ihr für richtig haltet, nächte Woche seid ihr ja wieder normal. - Maaht, wat ihr för richtig haldt, nöhste Woch sitt ihr jo ald widder normal. Un ich denk esu: Schad eijentlich. 

Denn de Aanredde „leev Jeckinne und Jecke“, die han nit mir uns usjedaach, die han mer jefunge beim Apostel Paulus, dä vun sich och säht, hä wör ene Jeck. Nit vun Huus us, dä Paulus wor sicherlich alles, ävver kei Rheinländer, ävver hä wor, su schriev hä et aan sing Fründe en Korinth (1Kor 4,10), ene „Jeck öm Christi Welle“, of, anders övversatz, e „Jeck wäje däm Chrestus“. 

Dat Jesus selvs knatschjeck, wann nit sujar raderdoll wor – dat hät fröher e janz Deil Minsche jedaach. Sujar si eije Familich, ihr hadt et ald en dr Lesung jehürt, ich les üch dat koote Stöck us däm Markusevanjelium noch ens vür: Und Jesus ging in e Huus. Un ald widder kome Minschemasse zesamme, un dr Jesus un si Fründe komen nit ens dazo, jet ze esse. Un als sing Verwandtschaff dovun hürte, komen se aanjeschrömp un wollte em met Jewalt fottdrare, se han nämlich jedaach: Hä es verröck. 

Un se han ja Rääch: Jesus wor verröck, ver-röck, hä es us däm Trott usjebroche, fottjetrodde us dr Reih vun all denne, die klotzig jradus mascheere un nit noh rähts un links loore, un hä hät sing Fründe unger dr Randfijore dr Jesellschaff gefunge. Hä hät sich selvs rusjeschmisse us däm iwije Spill, bei däm jederein dr Eetste un Beste sin will, un hät unger denne, die bei däm Spill op dr Strecke jeblieve sin, sing neue Familich jefunge. Wä su jet mäht, wä sech jäjen dr Strom stellt, wie Jesus dat jedonn hät, vun däm säht mr off: Wat ene Jeck em Rähn. Un zwesche Äschermettwoch un däm 11.11. es dat kei Kompliment, och un jrad, wann et vun dr eijene Verwandtschaff kütt. 

Un dat nit bloss Jesus selvs, ävver och die Chreste all esu knatschjeck un raderdoll sind – dat es en Ordeil, dat sech door dr Kirchejescheech trecke däht: 

Ehr Chreste sid doch beklopp, wann ehr aan ene Jott jläuv, dä sech vum Himmel eravschwingk, all Maach un Ihr hinger sech lööt, dä Minsch weed un sich dann och noh avmöpse lööt! 

Ehr Chreste sid doch verröck, wann ehr jäje all Augesching draan jläuv, dat met däm Duhd nit alles am Ängk es. 

Un ehr Chreste sid doch jeck, wann ehroch noh meint, dat sech met üür Dräum vum Himmel un Fridde och Jerächtigkeit Politik maach lööt. 

Das graffito blasfemo von 125: Alexamenos betet einen Esel am Kreuz an

Leev Jeckinne un Jecke, bei su enem Jäjewind däht et joht, nit allein ze sin. Un esu wie dr Jeck em Fasteleer es och dr Jeck wäje Chrestus e gesellig Wese, un weed en dr Jemeinschaff met aandere Lück halv erinjetrocke, halv jedrevve. „Echte Fründe ston zesamme“, singe mer off un jähn, em Fasteleer un eijentlich fas et janze Johr övver, un en däm Leed fingk sech e Spor vun däm, wat dr Jemeinschaff vun Minsche unger Kanzel un Krütz, övver Brut un Wing usmäht: „Echte Fründe ston zesamme, ston zesamme su wie eine Jott un Pott“, su heiß et en däm Rüümche, dat kaum einer op dr Stroß richtig metsinge kann. „...su wie eine Jott un Pott“ - dat es en ahl Sprichwoodt un meint de Famillich. Dat däht uns dran erinnere, dat nix de Minsche esu eng zesammeföhrt wie et Esse us enem Pott un der Jläuv un et Jebedd aan eine Jott. 

För mich kütt dat em Ovendsmohl zesamme, wann Minsche Brut un Wing deele un janz plötzlich, nor für ene Augenblick, nevvenenein ston un sech aan dr Händcher halde, wie echte Fründe zesamme ston, nor för e janz koote Momang. Minsche, die im restliche Lävve vielleich jar nit esu vill metenang ze don han, ävver övver Brut un Wing zesamme jeföhrt wääde. Do kammer sin un föhle, dat dr Jläuv och Jrenze sprenge kann. 

Och dat jehürt zem Fasteleer dobei, wann et Trömmelche jeiht un alle dorch dr Stroße trecke. Weil dr Fastelovend immer och de Fier vun e aandere, e verkiehrte Welt jewese es, koot vör dr Fastezick. Un e aandere Welt weedt och manchmol em Joddesdeens spörbar, e Welt, en dä all Faste e Ängk han weedt. E Welt, die mer Minsche nit eraanrofe of herzaubere künne, ävver die af un zo opblitz. E Welt, en dä mer och fiere weedt, un wie! Do wäde Israelis un Palästinenser, Türke un Deutsche, vielleich sujar Düsseldorfer un Kölsche sech schunkelnd en dr Ärm lieje aan dr längste, bes en dr Iwigkeit lange Thek dr Welt, do sitze un annstoße un singe, do weede de Pänz Giftschlange met Kamelle föödere un drömeröm e Wolf met enem Schof spille. Su süht et us, en dä Zokunff, en die de Bibel uns spingse lieht. Eijentlich knatschjeck un raderdoll. 

Un esu ene Hoffnung däht och dr Minsche verbinge. Nit bloß uns he: Wä sech vun Jesus jeck maache lööt, fingk sech plötzlich aan dr Sick von janz vill aandere Jecke widder, nevve all dr Verröckte, all däm Jeraffels un dr Bajaasch, die am Stroßerand steiht. Denne hät sich dr Jesus zojewendt, un zo denne jehüre mer, wann mer Äänz maache met däm Jecksin us Jläuve. Wä sech vun Jesus jeck maache lööt, dä erläävt e richtije Stroßekarneval, dä kütt ungers Fooßvolk un treck met denne door dr Stadt, die bloss noch sech selvs und manchmot nit ens mieh dat han. 

Leev Jeckinne un Jecke, et jitt immer widder Zigge, en denne de Kirch verjiss, wat et heiß, jeck ze sin, en dä se försöök, dr Stroßekarneval jäje dr Sitzungskarneval uszeduusche. Hoffe mer, dat et nie janz esu wick kütt, dat Kirch bloss noh heiß, dat zahlende un kostümeerte Vereinsmitglieder en dr Bänk setze, e paar Leedcher singe, e bezahlte un mehr off winniger löstige Büttenredd zohüre, aff un zo e Häppche müffele, un ansünsten janz fruh sin, unger sich ze blieve. Wann et esu wick es, dann bliev vielleich nur e traurig Affjesang: Ihr wart nur ein Karnevalsverein,… 

Vun doher hoff ich, dat et nit dozu kütt, wat minge Fründ us Westfale jesaht hät, dat am Äschermettwoch alles förbi es un mer alld widder normaal wedde. Öm Joddes Welle – loss mer e beßje dovun metnemme, loss mer jeck blieve un fiere un aan dr Hoffnung festhalde, dat de Zokunff, en dä mr spingse, nit esu düster es, wie mr et denke künnt, wann mr su en dr Welt erömloort. 

Un dat eines Daachs dr Jesus selvs, 
dr jrößte Jeck vun all, 
uns entjäjekütt un uns en dr Ärm nemp. 
Dann treck hä uns de Maske erunger, 
wesch uns dr verschwetzte of verhüülte Schmink us em Jeseech, 
nemp uns uns falsche Nose un Pürke aff. 
Dann hülf hä uns erus us all denne ze jroße of zu enge Kleider un Pluute, 
die mr uns em Lävve opjedröck han. 
Dann weedt hä uns anloore un sage: 
„Do jeck. Joht sühste us. 
Bes nit bang, ich han dich freijekauf. 
Ich han dich bei dingem Name jeroofe, 
do jehürst ze mir.“ 

Amen. 

Roland Peter Litzenburger, Christus der Narr (1987), Bild: www.augustinus.de