Sonntag, 15. Mai 2016

Pfadverlierer - querfeldein. Gottesdienst zum 50. Schwenke-Lager des Kreuzpfadfinderbunds Wuppertal

Zur Vorgeschichte: Ich kenne, oder kannte bisher, kaum Pfadfinder, mein Wissen beschränkte sich bislang auf das, was ich vom Fähnlein Fieselschweif gelesen hatte. "Hättest Du Lust, den Gottesdienst bei uns auf dem Lager zu machen?" fragten die netten Pfadis, die bei uns im Gemeindehaus herumturnen. "Klar", sagte ich, und dachte: Machste halt was Nettes, bisschen Pfingsten, bisschen Pfadfinder, und irgendwie geht es doch bei beidem darum, eine Idee um die Welt zu tragen. Dann Freitagabend. Ich bei Pfadfinderlager. Ich muss bei solchen Gottesdiensten dagewesen sein vorher, muss ein bisschen Stallgeruch geschnuppert haben. Wir besprechen den Gottesdienst. "Was erwartet Ihr denn, oder besser: Wie sollte ein Gottesdienst sein, damit ihr hinterher sagt: Der war gut!", frage ich, ganz pädagogisch. Und bekomme ebenso pädagogisch zur Antwort: "Am besten: Anders... Also, bisher haben irgendwie alle immer was zu Pfingsten gemacht, dann was zu Pfadfindern, und dass es irgendwie bei beiden darum geht, eine Idee um die Welt zu tragen." Hmpf. Also zurück auf Los. Immerhin: Pfarrer und Pfadfinder pfangen beide mit pfa an. Das ist ja schon was. 

 

Mir sagen die Leute, und Euch vielleicht auch:
Geh deinen Weg, geradeaus, unbeirrt,
kletter höher, schneller weiter
auf der Karriereleiter,
damit was aus dir wird!

Halt dich nicht auf Nebengleisen auf,
mal dir, mach dir deinen Lebenslauf
wiediewiediewie’s den Chefs,
den Lehrern und Eltern, den Medien der Welt gefällt.
Deine Karriere sei wie dein Gesicht,
mit eben aufgetragener Makeupschicht
keine Ecken und Kanten,
keine interessanten Varianten,
keine Abweichungen und Durchstreichungen,
keine Wiederholung und Erholung,
für dich gibt’s nur die Überholung,
die Letzten werden die Letzten bleiben
und den Ersten auf ewig hinterhertreiben.
Deine Lebensgeschichte
soll kein Märchen, kein Gedicht,
sondern ein Heldenepos sein,
ohne Punkt und Komma,
nur mit Ausrufezeichen.
Sei Krieger, sei Sieger,
und Überflieger.
Lern Chinesisch schon im privaten Kindergarten,
in den nur die Harten kommen.
Such dir die richtigen Freunde aus,
möglichst die aus gutem Haus,
guck nicht zu viel nach rechts und links,
dein Weg ist klar, immer stur geradeaus.
Die Schule geht bis kurz nach vier,
der Unterricht geht weiter, erst am Klavier,
dann auf dem Platz,
nicht für die Schule lernen wir,
sondern für den Lebenslauf.
Halt die Deadline ein, so ist’s fein,
hol die Ellenbogen raus, burn dich aus.
Klick dich, fax dich, mail dich hoch
grapsch dich, quetsch dich, schleim dich hoch
kick dich, box dich, schlaf dich hoch
bück dich hoch, ja!
Geh deinen Weg, geradeaus, unbeirrt,
kletter höher, schneller weiter
auf der Karriereleiter,
damit was aus dir wird!
 
Aber was wird aus mir?
Mein Weg geht nicht immer geradeaus.
Ich scher manchmal zur Seite aus,
bleibe an Blumen und Schaufenstern stehn
oder weiß einfach nicht, wie es weitergeht.
Ich stolper über Stock und Stein,
querfeldein,
fall manchmal rein und manchmal hin,
und weiß oft gar nicht, wo ich bin,
nur da, wo ich nicht sein soll.
Mein Weg geht nicht immer geradeaus,
eher querfeldein.
Man müsste Pfadfinder sein,
allzeit bereit, ich weiß nur nicht, wozu,
und fühl mich manchmal mehr
als wär ich Pfadverlierer.
Dann hock ich im Wald,
um mich rum nass und kalt,
und ich hoffe, dass da bald
jemand kommt und Halt sagt
und ein Feuer macht aus dem, was hier liegt,
der aus Pflöcken und Planen ein Zelt zusammenkriegt
 
es muss im Leben doch jemanden geben,
der einen Pfad für mich findet,
meine Wunden verbindet
und mir sagt: Es wird alles gut.

Aber manchmal denk ich dran,
manchmal glaub ich dran,
manchmal hoffe ich drauf
und manchmal spüre ich auch,
dass da jemand ist, der mit mir geht,
der’s Leben kennt, der mich versteht.
Einer, der mich begleitet, querfeldein,
über Stock und Stein
und mir hilft, mein eigener Pfadfinder zu sein,
ich bin nicht allein, mein
Stamm, mein Verband
nennt sich „Kirche“ oder auch einfach Volk Gottes.

Ich hab auch ein Versprechen gegeben,
dass in meinem Leben
der Nächste etwas zählen soll,
egal aus welchem Volk,
egal aus welcher Stadt,
von welchem Verein und aus welchem Land -
zu meinem Stamm, meinem Verband
gehören alle, denen Gott den Kopf gewaschen hat,
und wenn unsere Dämme brechen und uns fast nichts mehr hält,
dann gilt sein Versprechen
Ich bin bei euch, bis ans Ende der Welt.

Und so lauf ich weiter querfeldein,
durch Dickicht und Wälder,
über Stock und Stein,
nicht nur geradeaus,
hab meinen Glauben dabei,
der nicht immer eins zu eins
sagt, was ich jetzt tun soll,
der nicht immer wie ein festes Haus,
aber immerhin wie eine Kröte oder Lokomotive ist
eine Plane, von einem Pfahl gestützt,
der mich vor dem schlimmsten Regen beschützt
bis es irgendwann weitergeht.
Mein Leben ist ein Abenteuer,
mein Glaube wie ein Lagerfeuer,
um das wir uns versammeln,
wenn über uns die Sterne glühn,
von dem uns eine Flamme
ganz tief berührt
und wir sie mit uns führn,
und was wir tun, ist nicht vergebens.

Jesus sagt: Ich bin, wenn ihr wollt,
das Stockbrot des Lebens,
ich mach euch satt
und geb euch Kraft
für den Weg, der vor Euch liegt.


 
Der führt nicht immer geradeaus,
der führt auch manchmal querfeldein.
Aber ich werde bei euch sein
und ihr sollt meine Pfadfinder sein.
Allzeit bereit, und ich frage: Wozu?
Und er sagt: Das wirst du schon sehn,
wenn wir, ich und Du, zusammen durchs Leben gehn.

Ich bin Pfarrer, und das fängt ja schon einmal
so an wie Pfadfinder,
und vor allem sind wir, allesamt, überall
Gottes Kinder.
Und er wird sein Versprechen nicht brechen,
und wir unseres auch nicht.
Tragt in die Welt euer Licht.
Sagt allen: Fürchtet euch nicht. 
Amen.

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