aus
Keramik oder Holz,
inmitten
süddeutsch anmutender Stallromantik,
wir
holen sie raus,
stauben
sie ab,
stellen
sie hin,
singen
sie an:
Die Heilige Familie.
Die Heilige Familie.
Eine
Frau, ein Mann,
und
ein Kind,
holder
Knab‘ mit lockigem Haar
und
Heiligenschein.
Landauf,
landab wird sie beschworen,
bei
den selbsternannten Rettern
des
Abendlands,
sie
zeigen sie vor,
halten
sie hoch,
beten
sie an:
Die
Heilige Familie.
Eine
Frau, ein Mann,
und
1,38 Kinder, durchschnittlich,
holder
Knab‘ mit lockigem Haar oder
liebreizendes
Mädel mit strengem Zopf
und
glänzenden Zukunftsaussichten.
Am
Ende des Jahres sitzt sie im Wohnzimmer,
aus
Fleisch und Blut,
inmitten
einer Wolke aus Old Spice und Kölnisch Wasser.
Wir
laden sie ein,
füttern
sie durch,
halten
sie aus,
zweifeln
sie an:
Die
Heilige Familie.
Eine
Frau, ein Mann,
Kinder
und Enkelkinder,
Schwippschwägerinnen
und Cousins
und
Oma und Onkel Karl,
und
deine alte Großtante
-
Moment, ich dachte: Deine alte Großtante?!
Faltiges
Haupt mit silbernem Haar,
und
das Christkind kommt erst in die Krippe,
wenn
wir in der Kirche waren,
und
Oma legt es selbst rein.
Dann
wird gegessen,
dann
sehen wir uns die Weihnachssendung im dritten Programm an,
dann
gibt es Bescherung,
und
dann wird es gemütlich.
Wir
schenken uns ja nichts.
Wir schenken uns wirklich nichts.
Wir schenken uns wirklich nichts.
„Also,
wir machen den Rotkohl ja immer selbst. Aber jedem das Seine.“
„Sag
mal, Junge, warum hast Du denn immer noch keine Freundin?“
„Früher
war mehr Lametta.“
„Sag
mal, ist deine Vorstrafe eigentlich verjährt oder wie das heißt?“
„Hast
Du eigentlich zugenommen?“
Wir
schenken uns nichts.
Und
im Schein der Heiligen Nacht scheint mancher Heiligenschein
doch
sehr scheinheilig zu sein.
Und
es riecht nicht nach Zimt, sondern nach verbrannter Erde.
Und
mittendrin steht die Krippe aus dem Erzgebirge,
und
die hat beim letzten Umzug gelitten:
Josef
hat nur einen Arm,
die
Heiligen drei Könige haben ihre Geschenke verloren,
und
die Futterkrippe ist weg,
und
das, wo Oma doch gleich das Jesuskind reinlegen wollte.
Aber
die Krippe stimmt eh nicht.
Sie
ist zu schön.
Christ
ist geboren,
aber
nicht in weißgetünchtem Stall in Oberbayern,
sondern
in einer Höhle zu Bethlehem,
und
es roch nicht nach Zimt oder Glühwein oder Gänsebraten
oder
nach Old Spice und Kölnisch Wasser,
sondern
nach Schafmist und Schweiß,
nach
stockigen Kleidern und schnellem Aufbruch.
Freue
dich, o Christenheit,
denn
alle Jahre wieder kommt das Christuskind,
auf
die Erde nieder,
wo
wir Menschen sind.
Kehrt
mit seinem Segen ein in jedes Haus,
auch,
wenn es nicht nach Zimt riecht,
sondern
nach Einsamkeit und kalten Zigaretten,
nach
Kummer und Kümmerling,
und
vor der Tür stehen nicht die Weisen aus dem Morgenland,
sondern
die Abschiebeamten aus dem Abendland.
Er
kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Und
die Krippe stimmt eh nicht.
Sie
ist zu klein,
obwohl
sie größer sein kann,
sein
müsste:
Eine Frau, ein Mann,
Eine Frau, ein Mann,
holder
Knab mit lockigem Haar,
ein
paar Hirten, drei Könige,
aber
es fehlen ein paar,
es
fehlt die ganze Welt.
Freue
dich, o Christenheit,
denn
das erwachsene Christkind wird sagen:
Wer sind meine Mutter und meine Geschwister?
Wer sind meine Mutter und meine Geschwister?
Wer
Gottes Willen tut, der ist meine Mutter, mein Bruder, meine Schwester.
Die
Heilige Familie ist Wahlverwandtschaft.
Nicht ihr habt mich erwählt, wird das erwachsene Christkind sagen,
Nicht ihr habt mich erwählt, wird das erwachsene Christkind sagen,
sondern
ich habe euch erwählt.
Die
Heilige Familie ist Patchwork:
Das
Christkind ist unehelich,
seinen
Vater hat nie jemand gesehen.
Und
die Krippe ist kaputt.
Josef
hat nur einen Arm,
die
Heiligen drei Könige haben ihre Geschenke verloren.
Und
das Christkind hat nichts, auf das es sich betten kann.
Und
Oma steht auf, feierlich,
nimmt
das Christkind,
geht
zur Krippe – und stutzt.
Nimmt
den Aschenbecher vom Tisch,
stellt
ihn in den Stall,
legt
das Christkind rein,
tritt
einen Schritt zurück.
Sie
nickt, und sie lächelt,
und
sagt zufrieden:
„Jetzt
stimmt es.“
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