Es gab Zeiten, da waren wir als Studierende in Wuppertal fast ein bisschen genervt von den Altvorderen, die immer und immer wieder das unerschöpfliche Thema "Christen und Juden" hervorholten. Das sei doch längst alles kalter Kaffee, der Rheinische Synodalbeschluss Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden lag mittlerweile über zwanzig Jahre zurück, die Vorlesungen bei unserem großen Lehrer Bertold Klappert waren überfüllt von eifrigen Seniorstudierenden, die die christlich-jüdischen Arbeitskreise in ihren Heimatgemeinden mit theologischem Lese- und Denkstoff versorgten, und die Gemeinde der gerade eröffneten Synagoge in Barmen klagte mal scherzhaft, über die zig evangelischen Besucher_innen auf der Empore im Schabatgottesdienst, während sie selbst jeden Freitagabend aufs Neue bangen mussten, ob sie ihre Minjan vollkriegen würden. Wir alle kannten die Geschichte von Karl Immer, der sich am Sonntag nach der Reichspogromnacht weigerte, in der Gemarker Kirche zu predigen, weil in der Nacht zuvor wenige Straßen weiter das Wort Gottes verbrannt worden sei.
Dann zogen wir weiter. Kamen an Studienorte, an denen man Karl Barth, wenn man ihn denn überhaupt kannte, für kaum mehr als einen schreibgeilen Schweizer Sektierer hielt. Andere begegneten über Studierendenbibel- und -hauskreise Judenmissionaren oder (man weiß nicht, was schlimmer ist) sogenannten "christlichen Zionisten", und mit der Zeit wurde deutlich: Wir sind noch längst nicht so weit, wie wir auf dem "Heiligen Berg" und in Rheinland-Westfalen-Lippe immer dachten. In den Jahren 2007 und 2008 musste die Kölner Melanchthonakademie ihr Nein zur Judenmission gegen heftige Angriffe verteidigen, im Januar 2008 bekräftigte die Evangelische Kirche im Rheinland ihre Absage an Begriff und Sache christlicher Judenmission. Noch immer liegt auf dem Server dieser Landeskirche die Homepage einer Selbsthilfegruppe reaktionärer Männer, die für judenmissionarische Aktivitäten wirbt.
Gestern Nacht brannte es vor der Barmer Synagoge. In Detmold wurde der Gedenkstein für die alte Synagoge geschändet. Im Internet liest man antijüdische Hetze, die dem Stürmer in nichts nachsteht:
https://www.facebook.com/IsraelinGermany |
Vielleicht wäre es mal Zeit für eine Sondersynode. Also eine, die sich mal ausnahmsweise nicht mit Struktur- und Personalfragen beschäftigt. Sondern bei der ernsthaft erörtert wird, ob wir uns angesichts der Gewalt von und gegen Christen, Juden und Muslime nicht gefährlich nahe am status confessionis bewegen.
Um es nochmal ganz klar zu sagen: Es ist wichtig und notwendig, sich kritisch mit Israels Siedlungspolitik auseinanderzusetzen. Wer an fundierten, meinungsstarken und theologisch reflektierten Kommentaren zur Lage interessiert ist, kann mal auf Rainer Stuhlmanns Blog nachschauen.
Um es noch klarer zu sagen: Wer Jüdinnen und Juden das Existenzrecht abspricht, hat kein Recht, Psalmen zu singen oder sich selbst als "Christ" zu bezeichnen. Zumindest solange nicht, bis er oder sie Buße getan und vom bösen Weg umgekehrt ist. Anathema sit.