Dienstag, 29. Juli 2014

Anathema sit.

Es gab Zeiten, da waren wir als Studierende in Wuppertal fast ein bisschen genervt von den Altvorderen, die immer und immer wieder das unerschöpfliche Thema "Christen und Juden" hervorholten. Das sei doch längst alles kalter Kaffee, der Rheinische Synodalbeschluss Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden lag mittlerweile über zwanzig Jahre zurück, die Vorlesungen bei unserem großen Lehrer Bertold Klappert waren überfüllt von eifrigen Seniorstudierenden, die die christlich-jüdischen Arbeitskreise in ihren Heimatgemeinden mit theologischem Lese- und Denkstoff versorgten, und die Gemeinde der gerade eröffneten Synagoge in Barmen klagte mal scherzhaft, über die zig evangelischen Besucher_innen auf der Empore im Schabatgottesdienst, während sie selbst jeden Freitagabend aufs Neue bangen mussten, ob sie ihre Minjan vollkriegen würden. Wir alle kannten die Geschichte von Karl Immer, der  sich am Sonntag nach der Reichspogromnacht weigerte, in der Gemarker Kirche zu predigen, weil in der Nacht zuvor wenige Straßen weiter das Wort Gottes verbrannt worden sei. 

Dann zogen wir weiter. Kamen an Studienorte, an denen man Karl Barth, wenn man ihn denn überhaupt kannte, für kaum mehr als einen schreibgeilen Schweizer Sektierer hielt. Andere begegneten über Studierendenbibel- und -hauskreise Judenmissionaren oder  (man weiß nicht, was schlimmer ist) sogenannten "christlichen Zionisten", und mit der Zeit wurde deutlich: Wir sind noch längst nicht so weit, wie wir auf dem "Heiligen Berg" und in Rheinland-Westfalen-Lippe immer dachten. In den Jahren 2007 und 2008 musste die Kölner Melanchthonakademie ihr Nein zur Judenmission gegen heftige Angriffe verteidigen, im Januar 2008 bekräftigte die Evangelische Kirche im Rheinland ihre Absage an Begriff und Sache christlicher Judenmission. Noch immer liegt auf dem Server dieser Landeskirche die Homepage einer Selbsthilfegruppe reaktionärer Männer, die für judenmissionarische Aktivitäten wirbt. 

Gestern Nacht brannte es vor der Barmer Synagoge. In Detmold wurde der Gedenkstein für die alte Synagoge geschändet. Im Internet liest man antijüdische Hetze, die dem Stürmer in nichts nachsteht:

https://www.facebook.com/IsraelinGermany

Vielleicht wäre es mal Zeit für eine Sondersynode. Also eine, die sich mal ausnahmsweise nicht mit Struktur- und Personalfragen beschäftigt. Sondern bei der ernsthaft erörtert wird, ob wir uns angesichts der Gewalt von und gegen Christen, Juden und Muslime nicht gefährlich nahe am status confessionis bewegen. 

Um es nochmal ganz klar zu sagen: Es ist wichtig und notwendig, sich kritisch mit Israels Siedlungspolitik auseinanderzusetzen. Wer an fundierten, meinungsstarken und theologisch reflektierten Kommentaren zur Lage interessiert ist, kann mal auf Rainer Stuhlmanns Blog nachschauen. 

Um es noch klarer zu sagen: Wer Jüdinnen und Juden das Existenzrecht abspricht, hat kein Recht, Psalmen zu singen oder sich selbst als "Christ" zu bezeichnen. Zumindest solange nicht, bis er oder sie Buße getan und vom bösen Weg umgekehrt ist. Anathema sit. 

2 Kommentare:

  1. Danke für diesen Artkel.
    Als ich heute Mittag von der Sache in Barmen gehört habe war ich schockiert. Nicht so sehr weil ich gedacht habe, dass so etwas nicht vorkommen kann, sondern weil ich dachte, dass es doch nicht bei uns passiert
    In den Medien ist von Demonstrationen in Deutschland zu lesen auf denen Untersützer Israels und der Palästinenser aufeinander treffen, wo antisemitische Sprüche fallen und Steine fliegen. Ich dachte mir dann, dass es in Großstädten wie Berlin oder Hamburg immer ein paar Idioten gibt die auf Krawall aus sein, aber dies ist (inzwischen) weit weg von uns.
    Der Gedanke "hier bei uns kann so was nicht passieren", oder "wir haben so etwas hinter uns gelassen" schleicht sich viel zu leicht in das eigene Bewusstsein.
    Wir wollten wieder wachsam dafür werden, dass so etwas immer und überall passieren kann und das war dann zum handeln aufgerufen sind.

    AntwortenLöschen
  2. Dass dieser Schmutz so schnell und so heftig wieder hochkommt, hätte ich nicht gedacht. Da gibt es eine unheilige Allianz zwischen traditionellen und neuen Nazis, Leuten, die noch von der DDR-Politik geprägt sind, und antijüdischen Arabern. Das kann man nicht so laufen lassen.

    AntwortenLöschen