Mittwoch, 4. Februar 2015

"Hassprediger" ist kein gutes Wort

Dem Bremer Kollegen Olaf Latzel, dessen Gemeinde es schon öfter zielgenau in die Schlagzeilen geschafft hat, wird seit der Kontroverse um seine Gideonspredigt vom 18. Januar eine zweifelhafte Auszeichnung zuteil: In der Tages- und Wochenpresse, in Blogs und Tweets nennt man ihn "Hassprediger". Damit kann er sich in illustre Gesellschaft einreihen, in der homiletischen Hall of Shame trifft man unter anderem auf Ayatollah Khomeini,  Metin Kaplan, den mittlerweile verstorbenen Baptistensychopathen Fred Phelps, Kardinal Meisner, das Autorenkollektiv rund um kath.net und andere (kann man alles auch bei wikipedia nachlesen). Dabei wird der Begriff von so unterschiedlich tickenden Zeitgenossen wie Matthias Mattussek und Volker Beck benutzt - allein deswegen lohnt es sich ja schon, sich diesem Titel etwas näher zuzuwenden.

Wie in der Wikipedia richtig bemerkt, ist ein erstes gehäuftes Aufkommen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert zu beobachten, das heißt in der Zeit des Kulturkampfes, jener Epoche, in der Befürworter von König- und Kaiserreich mit ultramontanen, d. h. mit Rom loyalen, Katholiken um die Deutungshoheit im Lande kämpften. Dieser Kampf wurde vor allem publizistisch geführt, der ursprüngliche Sitz im Leben des Begriffs liegt also in der Polemik. 

Karl Christian Friedrich Krause 1890 (Bild von books.google.com)

Davon büßte er nichts ein, als er knapp hundert Jahre später wieder salon- und irgendwann auch feuilletonfähig wurde; ein früher Beleg, der sich eben auf o. g. Ayatollah bezieht, ist ein Leserbrief an den SPIEGEL Ende 1979. Und diese Quelle reicht eigentlich schon aus, um sich darüber klar zu werden, in welchen Kontext der Begriff "Hassprediger" gehört, und in welchem er auch bleiben sollte: Von Hasspredigern schreibt man in Leserbriefen, in Forenbeiträgen und Kommentaren, der Begriff gedeiht in den moderigen Ecken der Informationsgesellschaft, im Schattenreich der Meinungsfreiheit, er ist letztlich in keiner Weise präziser, aussagekräftiger oder durchdachter als das meist aus anderer Ecke schwappende Gerede von der Lügenpresse. 

Dabei dienen derartige Kampfvokabeln nicht nur der Diskreditierung und Diffamierung der so Betitelten, sondern auch der emotionalen Entlastung derer, die ihn benutzen: Ich rufe laut "Hassprediger" - und fühle mich danach erstmal besser, weil ich meiner (vielleicht ja sogar berechtigten) Entrüstung Ausdruck verschafft habe. Das Perfide ist aber, dass dadurch der Eindruck entsteht, es sei alles gesagt, zumal, wenn sich der Begriff in einer Debatte erstmal etabliert ist, diese meist nur noch darum kreist, ob man ihn benutzen darf oder nicht. 

Zu Latzels Predigt ist aber längst nicht alles gesagt, die Debatte wird auch dann nicht beendet werden können, wenn die Staatsanwaltschaft herausgefunden hat, ob der "Anfangsverdacht der Volksverhetzung" begründet ist oder nicht. Denn die Debatte darf nicht nur auf einer juristischen, sondern muss auch und vor allem auf einer theologischen Ebene geführt werden, und das nicht nur über Latzel oder mit ihm allein, sondern auch mit seiner Gemeinde - die hat ihn ja gewählt und scheint's ganz zufrieden. 

Natürlich ist die Predigt problematisch. Wer sie noch nicht kennt, kann sie unter anderem hier nachhören - ich empfehle allerdings, das nicht auf nüchternen oder allzu vollen Magen zu tun. Sie ist vor allem erst einmal schlecht, aus handwerklich-homiletischer Perspektive, auch aus theologischer Sicht (vor allem im Blick auf die ungenierte Identifikation des spätmodernen Christentums mit dem Israel der Richterzeit). Und sie ist eben nicht nur platt und in historischer Hinsicht uninformiert: natürlich weckt Latzel mehr als nur ein ungutes Gefühl, wenn er mit hörbarem Genuss in Gewaltfantasien schwelgt ("Hackärrr! Hackärrr! Verbrennen! Ausreißen!"). 

Aber es hilft eben wenig, hier von "Hassprediger" zu sprechen, weil man sich damit letztlich auf Latzels Niveau hinunter begibt und das mitmacht, woran er willentlich oder unbewusst arbeitet: Die Vulgarisierung des interreligiös-theologischen Diskurses. Pilotprojekte wie das von ihm angesprochene House of One bedürfen der Begleitung durch fundierte theologische Reflexion, und diese wird erschwert, wenn sie auf markige Schwarz-Weiß-Positionen reduziert wird, so wie das unter anderem im Umfeld diverser sozialmedialer #JesuisOlaf-Initiativen geschieht. 

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