Predigt im Advents- und Weihnachtsgottesdienst der Polizeiseelsorge in NRW in der Düsseldorfer Johanneskirche. Ein Teil ist bei mir selbst geklaut.
Irgendjemand dachte irgendwann einmal:
Ich bin jetzt besonders schlau.
Ich bin jetzt besonders schlau.
Und er antwortete auf die Frage: Wer oder was ist
Gott?
mit dem Satz: Gott ist die Liebe.
Super.
Guter Plan.
Erkläre das am meisten missbrauchte Wort der
Weltgeschichte mit dem am zweitmeisten missbrauchten Wort der Weltgeschichte.
In Gottes Namen werden Kriege angezettelt, Kinder
missbraucht, Menschen diskriminiert...
Im Namen der Liebe werden Kriege angezettelt,
Menschen missbraucht, Probleme totgeschwiegen, wird Jahr um Jahr gute Miene zum
bösen Spiel gemacht.
Vor allem an Weihnachten. Dem Fest der Liebe.
In trauter Keinsamkeit
mit Schwiegervätern und Schwiegermüttern,
Schwestern, Schwagern und Schwippschwiegerneffen
und mit deiner alten Tante – Moment, ich dachte,
deine alte Tante?!
Wir schenken
uns ja nichts.
Wir schenken uns wirklich nichts.
Wir schenken uns wirklich nichts.
„Also, wir
machen den Rotkohl ja immer selbst. Aber jedem das Seine.“
„Sag mal,
Junge, warum hast Du denn immer noch keine Freundin?“
„Früher war
mehr Lametta.“
„Sag mal, ist
deine Vorstrafe eigentlich verjährt oder wie das heißt?“
„Hast Du
eigentlich zugenommen?“
Wir schenken
uns nichts.
Und im Schein
der Heiligen Nacht scheint mancher Heiligenschein
doch sehr
scheinheilig zu sein.
…
Also doch besser ohne?
Ohne Gott?
Ohne Liebe?
Ich weiß nicht. Ich weiß gar nichts. Und beginne
die Suche nach Antworten auf dem Weihnachtsmarkt. Entgegen anderslautender
Medienberichte gibt es sie durchaus noch, Weihnachtsmärkte an allen Ecken und
Enden, man kann sich kaum retten vor lauter Jingle Bells und Glühweinschwaden.
Es gibt nordische Weihnachtsmärkte,
bayrische Weihnachtsmärkte,
Alpenweihnachtsmärkte,
Mittelalter- und Barockweihnachtsmärkte,
vegane Weihnachtsmärkte,
klimaneutrale Weihnachtsmärkte,
historische Weihnachtsmärkte,
Bauernweihnachtsmärkte,
Hafenweihnachtsmärkte
und schwul-lesbische Weihnachtsmärkte.
Weihnachtsmärkte sind wie die Liebe – für alle!
Bestimmt gibt es demnächst auch Weihnachtsmärkte
für besorgte Bürger,
wobei das mit der Dekoration ein bisschen schwierig
werden könnte –
bei einer Krippe ohne Flüchtlinge, Araber, Juden
und Schwarze
bleiben bekanntlich nur Schafe, Ochsen und Esel
übrig.
Vielleicht ist Liebe wie Glühwein – klebrig-süß, vernebelt den Kopf ein bisschen
und schmeckt eigentlich nur, wenn man ihn zusammen trinkt und er richtig
heiß ist.
Oder vielleicht ist Liebe wie diese vielzackigen
Herrnhuter Sterne – theoretisch eine sehr hübsche Sache, schnell angeschafft,
aber das Zusammensetzen ist verdamm schwierig, und mit der Zeit brechen die
Spitzen ab.
Oder Liebe ist wie richtig scharfes Gulasch aus der
großen Kanone – sie brennt zweimal, einmal am Anfang und einmal am Ende.
Vielleicht ist Liebe aber auch wie Christkind oder
Weihnachtsmann – früher hat man mal daran geglaubt, aber das ist lange her.
Unterm Strich weiß ich nicht, ob der
Weihnachtsmarkt so hilfreich ist auf der Suche nach der Liebe.
Unterm Strich weiß ich nicht, ob der
Weihnachtsmarkt so hilfreich ist auf der Suche nach Weihnachten.
Wahrscheinlich wäre es sachlich gar nicht so
ungerechtfertigt, die Weihnachtsmärkte konsequent umzubenennen. In
Lichtermarkt, Sternschnuppenmarkt, Wintermarkt, Jahresendmarkt, Dezembermarkt,
Wintermärchenmarkt, Konsumistgeilmarkt, Scheißdiewandanbinichwiedervollmarkt…
was weiß ich.
Wie viel Weihnachten steckt im Weihnachtsmarkt,
und wie viel Gott steckt in Weihnachten
und wie viel Liebe steckt folglich im
Weihnachtsmarkt,
wenn Liebe in Gott und Gott in Weihnachten
und Weihnachten gar nicht im Weihnachtsmarkt
steckt?
Wie viel Gott steckt im Weihnachtsmarkt?
Wo ist Gottzwischen Lebkuchenherzen, Punschbuden,
Handyschalen, Pudelmützen, Pilzpfannen, Flammlachs, Kotzflecken und
Dreckpfützen?
Die Frage ist gestern Abend wieder aufgerissen.
Wie eine alte Wunde, knapp zwei Jahre alt.
Damals, Breitscheidplatz Berlin.
Mittlerweile hat sie nur noch ab und zu gejuckt
und ein bisschen gezogen,
wenn das Wetter anders wurde.
Jetzt ist sie nochmal offen.
Wegen Straßburg.
Und der Frage: Warum? Wie kann sowas passieren?
Für manche ist das eine sicherheitspolitische,
eine ordnungspolizeiliche Frage.
Für mich halt eine Glaubensfrage.
Für Euch vielleicht auch.
Und ich finde auf dem Weihnachtsmarkt keine Antwort
darauf.
Und auch nicht in der Schüssel mit Kartoffelsalat
und Würstchen
oder in Omas altem Plätzchenrezept mit guter Butter
oder bei Rudolf, dem Rentier mit der roten Nase
oder auf dem Boden eines leergesoffenen
Glühweintopfs.
Ich finde sie im Stall.
Eine Antwort.
Keine, die mir restlos alles erklärt.
Sie ist klein und genauso sehr Frage wie Antwort.
Klein und mit rotem Gesicht,
auf dem noch ein bisschen Käseschmiere klebt.
Sie ballt die kleinen Fäustchen und schreit aus
Leibeskräften.
Im Stall finde ich die Liebe. Und Gott.
Und ahne, wie doch beide zusammenkommen
in einem neugeborenen Baby,
das selbst abgebrühte Hirten erweicht
und alle Engel singen lässt.
Und ahne:
Liebe ist, wenn man das Teuerste gibt, das man hat,
und es loslässt in die weite Welt.
Liebe ist, wenn man die Scheiße nicht verschweigt,
aber sich weigert, ihr das letzte Wort zu lassen.
Liebe ist, wenn man dahin geht,
wo keiner sonst freiwillig einen Fuß hinsetzt.
Liebe ist, wenn man selber merkt,
dass das alte Herz noch nicht so ganz aus Stein
ist.
Liebe ist wie Gott.
Ein missbrauchtes, misshandeltes, missverstandenes,
missverständliches,
instrumentalisiertes und vielleicht viel zu häufig
falsch gebrauchtes Wort.
Aber eben auch: Die einzige Kraft, die die Welt in
den Fugen hält.
Ein riesengroßes Abenteuer.
Also los.
Amen.
Übrigens: Mehr Predigten gibt es ab jetzt vor allem zu hören auf der schönen neuen Homepage unserer Gemeinde!
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