Samstag, 25. Januar 2014

Predigtpop - eine kleine Themenreihe für größere homiletische Referenzrahmen


Das Predigen ist eine "Kunst unter Künsten", findet Martin Nicol im Rahmen seiner zu Recht viel beachteten dramaturgischen Homiletik. Mhhm, denke ich. Einerseits: Ja, das ist sicherlich richtig, und es gibt viel zu entdecken. Allerdings ist mir auch Kristian Fechtners Ansatz äußerst sympathisch, Predigt und Gottesdienst als Kunsthandwerk zu denken. 

Wenn man die Beispiele, die Nicol in seinen Büchern zur dramaturgischen Homiletik anführt, ernst nimmt, dann ist andererseits aber auch klar, dass die Predigt unter manchen Kunstformen eher zuhause zu sein scheint als unter anderen: Nicol geht es um DOGMA-Filme. Bach-Fugen und die unvermeidlichen Goldberg-Variationen. Miró-Skulpturen. Und dergleichen, es wird jedenfalls relativ deutlich: Homiletische Kunstgriffe lernt man am Besten in Programmkinos, beim Schlendern durch einen Skulpturenpark, in der Konzerthalle, beim jazzuntermalten Fingerfoodnaschen auf Ausstellungseröffnungen, während eines arte-Themenabends oder beim Blättern im Feuilleton.

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Bild: idealcoffee.ce

Dagegen ist zunächst einmal überhaupt nichts zu sagen. Nur: Bei den Kunstformen, denen gemeinhin eine homiletische Verwertbarkeit zugestanden wird, handelt es sich um einen äußerst schmalen und von persönlichen Präferenzen der Predigenden bestimmten Ausschnitt aus dem gesamtkulturellen Angebot. Und hier liegt, glaube ich, ein Problem: Denn es ist nur schwer vorstellbar, dass ein Mensch, der mit dem neuesten filmischen Meisterwerk von Lars von Trier schlichtweg nichts anfangen kann, sich von einer Predigt mitreißen lässt, deren Sprache und Struktur sich genau daran orientieren und die sich sich eine Ästhetik zum Maßstab nimmt, die vielen Predigthörenden nicht zugänglich ist. Das ist kein kleines Problem, denn: Ob Kunst oder Handwerk - die Predigt ist auch immer und vor allem Dienst, und zwar ein Dienst an den faktisch in der Kirche Anwesenden. Nicht an denen, die sich Prediger_in als Gesprächspartner für einen netten Abend bei einem schönen Glas Rotwein und einem guten Käse wünschen würde. Es gibt Gemeinden, in denen das deckungsgleich ist. Dann: Yippie! 

Bild: ebay.de
Was aber, wenn sich die Gottesdienstgemeinde am Sonntag oder, vielleicht eher, bei einer Kasualie überwiegend aus Menschen zusammensetzt, die mehr Helene Fischer als Heinrich Schütz hören, eher den Landarzt als Dogville gucken und sich lieber ein Poster mit einem Delfin als einen Chagallnachdruck übers Sofa hängen? Deren Esszimmerwand kein schlichtes, aber elegantes Kreuz, sondern ein großes "LOVE" aus totaaal süß bemalten Holzbuchstaben ziert? Die in der Küche einen Fernseher stehen haben? Die in einer sonntäglichen Predigt nach zwei Minuten wegknicken, aber Mario Barth (hier verläuft meine persönliche Schmerzgrenze und Ekelschranke) zwei Stunden zuhören? Es dürfte klar sein, was gemeint ist.

In der nächsten Zeit werden hier bei den Kirchengeschichten also Kunstformen ausgesprochen populärer Kultur auf ihre homiletische Verwertbarkeit hin abgeklopft, sprich: Ich gucke Schlagertextern, Comedy-Writern, StandUp-Komikern und Poetryslammern über die Schulter und versuche, für meine Predigtpraxis etwas mitzunehmen. Da die meisten Texte quasi schon fertig sind, kann ich das Fazit ja verraten: Ich finde, wir müssen unsere homiletischen Referenzrahmen erweitern. Das hat durchaus etwas Politisches, denn damit verbunden ist die Frage, welchen Milieus eigentlich die Deutungshoheit über kirchliches Leben und Handeln zusteht.

Wer sich über die kulturpolitische Forderung hinaus für homiletisches Handwerkszeug interessiert und wissen will, was Schlagertexter, Stand-Upper und Poetry-Slammer zur Predigt beitragen können - ab nächster Woche geht's los!

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