Montag, 7. Juli 2014

Gegen das Beklatschen des Toleranzpreises für die Hessen-Nassauische Kirche

Ausschnitt aus: Wilhelm Linnig d.J., Luther predigt auf der Kanzel (um 1880), (c) kunstkopie.de / kirchengeschichten.blogspot.de (Montage)

Manchmal ist es soweit: Da packt einen der heilige Zorn, und während alle anderen klatschen, möchte man selbst aufspringen und mit prophetenhaft bebender Stimme zur Buße rufen. 
So wie ich jetzt gerade. Am Wochenende war wieder Karneval in Köln, weil Sommer ist, nannte man das aber nicht so, sondern sprach vom Christopher-Street-Day. Am Rande dieses mehrtägigen Großevents fand im Gürzenich die Verleihung der "Kompassnadel" statt, eines undotierten Preises, mit dem das Schwule Netzwerk und die AIDS-Hilfe NRW besondere Verdienste um Toleranz auszeichnen. Preisträger in diesem Jahr war der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung, dessen Kirche im vergangenen Jahr als erste evangelische Landeskirche die gottesdienstliche Segnung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften quasi mit der kirchlichen Trauung gleichgestellt hat. Evangelisch.de jubelt heute: "Beim Verleih der 'Kompassnadel' treffen sich Kirche und CSD - mit Applaus". 

Soso. Die EKHN behandelt "Ehe" und "gleichgeschlechtliche Partnerschaften" gleich, die Aktivistenverbände honorieren das mit einem Preis, ein Innenstadtkollege hält die Laudatio, und alles klatscht und freut sich, auch und gerade das evangelische Köln. Und ich fasse mich an den Kopf und denke: Das kann doch nicht wahr sein!

Wer diesen Blog kennt und bis hierhin gelesen hat, wundert sich jetzt vielleicht. Und ich disclaime direkt: Keine Sorge, ich habe nicht die Seiten gewechselt und gröhle jetzt gemeinsam mit Christl Vornholt, Hartmut Steeb und allen anderen. 

Trotzdem ist für mich die Preisverleihung an den EKHN-Kirchenpräsidenten neben aller Freude auch ein Anlass zum Ärger. Und, ja, vielleicht bin ich da ein bisschen wie der Kölner Karnevalsfunktionär, der sich grämt, weil (ausgerechnet!) "Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht" mehr Einschaltquoten erntet als die Prunksitzung des Festkomitees. 

Aber: Der Preis für die hessisch-nassauische Kirche ist auch eine Erinnerung daran, dass wir im Rheinland unsere Hausaufgaben (noch) nicht gemacht haben! Das bislang letzte Wort in dieser Sache ist der Beschluss Nr. 42 der Landessynode 2000, dort heißt es unter anderem:

"Gleichgeschlechtliche Paare in verbindlichen Lebensgemeinschaften werden wie alle Gemeindeglieder seelsorglich begleitet. Es kann für diese Paare auch eine gottesdienstliche Begleitung geben. Dabei handelt es sich nicht um eine Amtshandlung. [...] Die gottesdienstliche Begleitung ist in der liturgischen Gestaltung von der Trauung deutlich zu unterscheiden."

Es kann durchaus sein, dass die EKiR damit im Jahr 2000 vorbildlich agiert hat, I wouldn't know, ich war damals noch in der Schule, und natürlich kann man immer mit der Arroganz der Spätgeborenen nöhlen, die Altvorderen seien nicht konsequent genug gewesen. Aber: Seitdem sind 14 (in Worten: vierzehn!) Jahre vergangen, Zeit genug auch für pietistische oder reaktionäre Regionen und Gruppen, von denen es im Rheinland recht wenige gibt, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass Gottes Pläne mit den Menschen nicht immer mit unseren spießbürgerlichen Lebensentwürfen konform gehen. Langsam ist es doch an der Zeit, endlich unsere theologischen Grundlagen konsequent weiterzudenken. Damit meine ich nicht, dass Kirche  um jeden Preis "liberaler" oder "toleranter" werden muss, sondern: Es gibt keine kirchliche Trauung! "Die Ehe ist ein weltlich Ding", hat bekanntlich schon Luther gewusst, und aus diesem Grund werden in evangelischen Gottesdiensten keine Ehen geschlossen, sondern bestehende Ehen gesegnet, für sie gedankt und gebetet. Es gibt keinen theologisch zu verteidigenden Grund für die seltsame und gänzlich untheologische, da nur politisch motivierte Einschränkung: "Die gottesdienstliche Begleitung ist in der liturgischen Gestaltung von der Trauung deutlich zu unterscheiden." Auch, wenn es natürlich eine gewisse behördenkirchliche Tradition hat, schwierige theologische Fragen hinter Verwaltungsentscheidungen zu verstecken.

Die Entscheidung der EKHN macht dieses Versäumnis auf schmerzhafte und peinliche Art deutlich, und wer bei der Preisverleihung für Volker Jung geklatscht hat, sollte das Seine tun, dass dem abgeholfen wird. Das geht ganz schnell: Brief ans Presbyterium, die nächste Kreissynode möge an die nächste Landessynode den Antrag stellen, hier endlich Klarheit zu schaffen. Sogar in Westfalen (!) hat das schon ein Kirchenkreis geschafft.

In diesem Sinne - an die EKHN herzliche Glück- und Segenswünsche. Und an alle anderen: Ite, missa est!

5 Kommentare:

  1. "Sogar in Westfalen (!)" - manchmal sind wir sturen Bauern doch weiter als der Horizont des Rheinlands. Auch wenn der Antrag eines Kirchenkreises allein (wobei man munkeln hört, dass da noch mehrere kommen sollen) ja leider noch keine gesamtkirchliche Position ist. Insofern herzlichen Dank für diesen Beitrag, der auch für Westfalen und alle anderen evangelischen Landeskirchen in Deutschland Gültigkeit hat.
    Ach ja: Eine Gleichstellung gibt es auch erst, wenn man auch begrifflich nicht mehr zwischen Ehe und gleichgeschlechtlicher Partnerschaft, zwischen Trauung und Segnung unterscheidet.

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  2. Ich stimme dem Eintrag voll zu.
    Vor allem da es ja auf formaler Ebene ja nicht wirklich einen Unterscheid gibt. Auch eine Trauung ist ja eigentlich ein segnender Gottesdienst anlässlich einer Eheschließung.
    Da kann man dann gerne den Namen ändern und auch aus der Segnung eine Trauung machen. Und das mit der Amtshandlung ist auch kein Problem mehr, denn die Kirchen dürften mittlerweile Paare trauen welche nicht standesamtlich verheiratet sind.

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  3. Herzlichen Dank. Meine Rede seit langer Zeit.

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  4. Danke, ich dachte schon ich wäre blöd, denn genau das, daß die Ehe ein weltlich Ding ist, brachte ich des öfteren vor und wurde stets nicht verstanden, stets wurde mir erklärt, daß es einen Unterschied gebe, weil Homosexuelle keine Kinder kriegen könnten, Homosexualität gegen Gottes Willen sei und was nicht alles noch kam an Begründungen. Überzeugt hat mich keine, aber das Gefühl, alleine dazustehen irritierte mich doch etwas. Deshalb nochmal: Danke für den Artikel!

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  5. Die Ehe ist ein weltlich Ding ist also der Maßstab, der vertreten wird. Daraus folgere ich, dass die, die die "weltlichen Dinge" regeln, auch regeln, was eine Ehe ist. Bislang haben selbige noch nicht geregelt, dass eine eingetragene Lebenspartnerschaft eine Ehe ist - denn es gibt ja beide Versionen. Eine Trauung ist ein Gottesdienst anlässlich einer Eheschließung. Eine eine eingetragene Lebenspartnerschaft ist offenkundig laut denen, die "weltlich Ding" regeln, keine Ehe. Eine Ununterscheidbarkeit bei den Formen der Segnungen wirkt meiner Meinung nach so, als bestimme jetzt eben doch die Kirche, was Ehe ist. Grade die Anerkennung des Grundsatzes "Ehe ist ein weltlich Ding" macht es doch dann nötig, deutlich voneinander gut unterscheidbare Formen zu entwickeln. Denn sonst weicht man genau den Grundsatz meiner Meinung nach auf. Sobald vom Gesetzgeber her auch eine eingetragene Lebenspartnerschaft eine Ehe ist, sind diese Unterschiede unnötig. Das soll jetzt mitnichten ein Plädoyer gegen die Segnung eingetragener Lebenspartnerschaften sein, die Entwicklung einer Form für diese Segnung halte ich für sehr wichtig. Aber ich denke, wir tun gut daran, uns genau zu überlegen, welche Formen wo verwendet werden und was eine Verwendung bestimmter Formen bedeutet.
    Nordlicht

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