Samstag, 15. November 2014

Fernsehpfarrer im Realitätscheck 2.0: Amtsschimmel und Bürohengste

Bevor gleich die neue Folge über den Bildschirm flimmert, noch schnell ein kleiner Rückblick auf die Irrungen und Wirrungen der letzten Woche. Mit besonderer Freude, denn: Wir hatten Kreissynode, mit einem Gottesdienst in der Kartäuserkirche - der Kirche also, in der (und um die) Andreas Tabarius unterwegs ist. Doll, wa? Da macht die Synode doch gleich noch mehr Spaß!

"DER NEUE" - ÜBERRASCHENDE KLÄRUNGEN

Ereignisreich wie immer gestaltet sich das Leben in der Bonner Heiland-Kirchengemeinde, die diesmal (die Folge gibt es hier) ordentlich von der Ankunft "des Neuen", Nachwuchspfarrer Wenkstern, in Aufruhr versetzt wird. Der wird aber dringend gebraucht: Als Entlastung für den überarbeiteten Tabarius - und aus dramaturgischen Gründen, denn: In dem Maße, in dem die bislang recht einseitig böse Presbyteriumsvorsitzende vermenschlicht wird, steigt das Bedürfnis nach einem zweiten Hauptantagonisten, gegen den Tabarius heldenhaft anrennen kann. 
Vor allem aber führt die Ankunft des Neuen zur Klärung einer Frage, die den eifrigen Seriengucker seit der ersten Folge nicht schlafen lässt: Wer ist eigentlich Schwester Sabine, oder "Frau Breckwoldt", die stets im Kielwasser der Presbyteriumsvorsitzenden die Bildfläche kreuzt und immer mal wieder gerne die Pfarrerschaft angurrt?



Im Gespräch mit dem Neuen wird klar: Sie ist "stellvertretende Presbyteriumsvorsitzende" (und spekuliert auf die nächste Wahl). Im wirklichen Leben wäre sie das höchstwahrscheinlich nicht, denn: Die Vorsitzende ist ja Nicht-Theologin, und da gilt Art. 21 KO: "Wird der Vorsitz einer Presbyterin, einem Presbyter übertragen [...], soll für die Stellvertretung eine Pfarrerin, ein Pfarrer [...] gewählt werden." Und "soll" heißt in Gesetzestexten bekanntlich "muss, wenn kann!". Dahinter steckt der theologische und kirchengeschichtliche Hintergrund, dass im Rheinland, in dessen kollektiven Gedächtnis die reformiert-niederrheinischen Flüchtlingsgemeinden des 17. Jahrhunderts eine nicht unbedeutende Rolle spielen, und daher großer Wert darauf gelegt wird, dass kirchliche Gremien mindestens paritätisch besetzt sind oder sogar von mehr Laien als Theolog_innen geleitet werden. Insider erkennen hier Luthers "Priestertum aller Gläubigen", aber das spielt in der Heilandkirche ohnehin keine so große Rolle.



Jedenfalls: Der Neue kommt, und wie schon aus seiner Frontstellung gegen die patente Sekretärin Frau Markwart in Sachen "Lakritze" (bäh...) deutlich wird, haben wir es hier mit dem nächsten Unsympathen zu tun. Der sorgt allerdings zunächst erstmal für große Verwirrung: Wie immer in der Gemeinde des Herzensbrechers, so "passieren" Personalentscheidungen irgendwie so über Nacht. Und so gibt es für den jungen Pfarrer z. A. (zur Anstellung) auch erstmal keinen Schreibtisch. Den muss er sich selbst aus der Rumpelkammer holen, wird aus den heiligen Hallen des Chefs verjagt und muss sich das ohnehin enge Büro mit der Sekretärin teilen. Das ist natürlich vollkommener Quatsch. Für das Amtszimmer eines Pfarrers oder einer Pfarrerin gibt es relativ strenge Regeln, die v. a. absichern sollen, dass die seelsorgliche Schweigepflicht gewahrt bleibt. Niemand residiert auf dem Gemeindeamt, wie Andreas Tabarius das tut - und keine Gemeindesekretärin führt dem Pfarrer den Kalender, die haben schon genug anderes zu tun. 
Interessant gestaltet sich das erste Dienstgespräch, bei dem Termine hin- und hergeschoben werden. Denn da zeigt sich, dass der Stelleninhaber eigentlich gar nicht so recht entlastet werden will. Und das ist gar nicht mal so unrealistisch - Hand aufs Herz: Wir glauben fast alle im tiefsten Innern, dass die ganze Welt nur wegen uns evangelisch ist, und dass der demografische Wandel nur dadurch aufzuhalten ist, dass wir uns um jeden Termin höchstselbst kümmern.



DER PFARRER UND DIE LIEBE

Zwischen Pfarrer Tabarius und seinem letzten Gspusi, besagter Sekretärin, kriselt es ja seit einigen Folgen. Und wer Augen hat zum Hören, der konnte schon erahnen, dass die neue Chorleiterin hier großangelegte Kabalen vorbereitet - und noch dazu mit unfairen Mitteln kämpft, denn: Sie ist Psychologin, und das heißt in Vorabendseriensprache so viel wie: "Kann Gedanken lesen". Auch hier schimmern die Regeln des Fernsehabends durch - ganz ohne weibliches Biest geht es also offensichtlich nicht. 


Und so enden Pfarrer und Chorleiterin nach kurzem Landeanflug in der Kneipe schließlich im Lotterbett. Schön blöd, möchte man sagen, vor allem dann, wenn es schon in der alten Gemeinde Zoff deswegen gab. Die Sache mit den Beziehungen ist spannend - und gehört auch zu den Dingen, die man als Pfarrer gerne mal gefragt wird: "Darfst du denn...?" Ja. Dürfen wir. Heiraten. Kinder kriegen. Verpartnern. Scheiden lassen. "Evangelische Freiheit", nennt man das wohl - historisch hat das etwas mit der Aufhebung des (Pflicht-)Zölibats durch die Reformatoren zu tun. Die waren nämlich einstimmig dagegen: Luther forderte die Abschaffung schon 1520 in seiner Adelsschrift (und setzte das, zum anfänglichen Missfallen einiger seiner Mitstreiter, darunter Melanchthon, schon 1525 in die Tat um), Johann Eberlin von Günzburg schrieb 1522 gar ein ganzes Büchlein darüber, Wie gar gefährlich es sei, so ein Priester kein Eheweib hat. 1530 schließlich stellte die Confessio Augustana (Art. XXIII) fest, dass der Zölibat weder mit der Schrift, noch Tradition und Vernunft zu vereinbaren sei. Und so kam das evangelische Pfarrhaus.

Dürfen - ja. Aber: Wie immer bei evangelischer Freiheit, so gilt auch für Pfarrer_innen im Besonderen der paulinische Grundsatz (1Kor 10,23f.): "Alles ist erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist erlaubt, aber nicht alles baut auf." Und so gelten für evangelische Theolog_innen (bereits in der Ausbildung) bestimmte Regeln: Eine Eheschließung/Verpartnerung ist dem Landeskirchenamt anzuzeigen. Partner oder Partnerin soll evangelisch sein, muss einer Kirche angehören, mit der die evangelische Kirche im ökumenischen Dialog steht (ACK-Fähigkeit) - Ausnahmen sind stets Einzelfallentscheidungen, die in den Landeskirchen unterschiedlich streng gehandhabt werden (wer erinnerte sich nicht an den großen Knall in Württemberg 2011?). Im Hintergrund dieser Überlegungen steht das Ideal des Pfarrhaus(halt)es, in dem die ganze Familie den Dienst des Amtsinhabers unterstützt. Und ganz von der Hand zu weisen sind manche Bedenken nicht, selbst, wenn man nicht das klassische Ideal der bürgerlichen Familie lebt - ein hohes Maß an Toleranz braucht der Pfarrberuf seitens der Familie allenthalben. Nur wird man als Pfarrer_in kaum jemanden ehelichen, der oder die so überhaupt gar nichts für den Beruf übrig hat.

Nun ging es ja jetzt ums Heiraten. Bei Tabarius und seinen Organistinnen aber eben nicht. Und hier wird es haarig, denn: Auch dort, wo die Kirche begrüßenswerter Weise ihr Partnerschaftsverständnis im Geist der Bibel geweitet hat, gehören zu den grundlegenden Eigenschaften einer aus christlich-ethischer Sicht vertretbaren Beziehung solche Dinge wie Treue, Verlässlichkeit, Verbindlichkeit. Bisschen schwierig bei One-Night-Stands, schließlich heißt es im Ordinationsvorhalt: "Verhalte dich so, dass dein Zeugnis nicht unglaubwürdig wird" - und das betrifft nach allgemeiner Lesart auch das Privatleben. Früher, so erzählt man, wurde in Predigerseminaren zu allem Möglichen die Parole ausgegeben: "..., nur nicht in der eigenen Gemeinde!" 
Umso haariger wird es dann, wenn es um eine_n Mitarbeiter_in geht. Denn: Privatbeziehungen beeinflussen das berufliche Umfeld, vor allem dann, wenn es um ein öffentliches Amt geht. Ob man soweit gehen muss wie einige Kolleg_innen, die strikt auch von persönlichen Freundschaften in der Gemeinde abraten, halte ich für fraglich - aber nachdenken sollte man darüber schon. Im Extremfall kann nämlich ein tiefgreifender (und womöglich noch offen ausgetragener) persönlicher Konflikt dazu führen, dass der Zustand der "Ungedeihlichkeit" festgestellt wird - und das ist so ziemlich der einzige Grund, aus dem man eine_n Pfarrer_in aus der Gemeinde auch gegen seinen Willen entfernen kann. 

Wie gedeihlich das Verhältnis des Vorabendpfarrers Tabarius zu seiner Gemeinde ist, von einigen heroischen Einsätzen in Einzelschicksalen abgesehen, sei mal dahingestellt. Aber Vorsicht ist angesagt - man ahnt: Das gibt noch Zoff.

3 Kommentare:

  1. Herrlich.
    Danke für den Hinweis auf die Serie, die Einordnung in die realer Welt - und die vergnügliche Lektüre im Besonderen.
    Aufgrund dieser Empfehlung habe ich mir heute das erste Mal die Sendung angeschaut und werde das gewisse nächste Woche wiederholen...

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  2. Ja, gute Idee! Don't love in the factory gilt aber auch in vielen anderen Berufen mit Führungsverantwortung, gerade in der Wirtschaft, und das hat gute Gründe jenseits aller Prüderie. Pfarrerehepaare können dazu einiges sagen...

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  3. Vielen Dank für die wie immer unterhaltsame und lesenswerte Rezension!
    Nur eine kleine Anmerkung: Die nächtliche Gesellschaft aus der Kneipe ist ja nur kurz richtig im Bild, aber meines Erachtens ist sie gar nicht die neue Chorleiterin, wenn auch ebenfalls dunkelhaarig...Was die obenstehenden grundsätzlichen Überlegungen zur Sache aber nicht berührt.

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