„Ihr seid das Licht der Welt“, sagt Jesus bekanntlich den Seinen in der Bergpredigt. Ein schöner, Mut machender, gern zitierter Satz. Allerdings - wenn man mal darüber nachdenkt, dann
fällt auf, dass „Licht“ als Metapher eigentlich zunächst unbestimmt
ist - einen kleinen Eindruck bekommt jeder, der sich schon einmal im Baumarkt zwischen den Regalen in der Abteilung „Lampen und Leuchtmittel“ verirrt hat.
Im viel diskutierten EKD-Impulspapier
„Kirche der Freiheit“ ist mit einer ausdrücklich nicht zufälligen Häufigkeit von Leuchtfeuern die Rede. Ich mag den Begriff. Leuchtfeuer, das klingt für einen Stadtmenschen wie mich nach genau der richtigen Mischung aus Strandroman(tik) und Hochseerettungspathos. Aber man muss sagen, dass das assoziative Streufeld dieses Begriffs, um in der Metapher zu bleiben, nur wenig ausgeleuchtet ist:
Leuchtfeuer ist ein Begriff der Seefahrt, und meint da ganz
verschiedene Dinge, vor allem aber „Warnfeuer“ (Wilfried Härle hat darauf in einem kritischen Artikel hingewiesen). Die meisten Leuchttürme sind
ursprünglich solche Warnfeuer gewesen und sollten auf Untiefen, gefährliche Strömungen
und steile Klippen hinweisen, als weithin sichtbarer Warnruf: „Kommt bloß nicht näher!“ Es lässt sich nicht abstreiten, dass manches kirchliche Arbeitsfeld, manche Gemeindegruppe, manches Angebot durch undurchdachte oder gänzlich fehlende Öffentlichkeitsarbeit, exklusive Insidersprache und eine Haltung, die das Desinteresse an einer Öffnung verrät, genau das signalisiert; ich bezweifle aber, dass das immer so durchdacht ist.
Damit ist nicht gesagt, dass Kirche nicht an mancher Stelle deutlicher ihre Stimme erheben und vor gesellschaftlichen Entwicklungen warnen sollte, wenn sie ein irgendwie geartetes prophetisches Selbstverständnis hat, bleibt ihr gar nichts anderes übrig. Allerdings: Leuchtfeuer stehen inmitten der Brandung, vor der sie warnen, Prophetie kann also nie aus der sicheren Distanz heraus laut werden.
Manchmal, im festen Glauben, so ein prophetisches Warnfeuer zu sein, gebärdet sich
die Kirche eher wie eine Schwarzlichtlampe. Solche dienen in Discos der
bloßen Effekthascherei, weit öfter werden Schwarzlichtlampen in Discos oder Clubs
benutzt, um einen ansonsten unsichtbaren Eintrittsstempel auf der Haut sichtbar
zu machen, also um zu kontrollieren, wer dazu gehört und wer nicht, wer rein
darf und wer draußen bleiben muss. Häufige Verwendung finden Schwarzlichtlampen
auch in Hotels, wo das Reinigungspersonal sie benutzt, um Flecken auf der
Bettwäsche zu finden, die man mit bloßem Auge nicht sieht – und so wirkt auf
mich manche ethische Debatte der Kirchen der Welt, wenn sie wieder einmal ein
brennendes Interesse darauf richtet, was andere Menschen im Schlafzimmer tun.
Vor allem in der Advents- und Weihnachtszeit, aber auch an anderen nunmehr zivilreligiös gekaperten Festen, nehme ich Kirche oft wie
eine Lichterkette oder wie eine herkömmliche, alte Glühbirne
wahr. Eine Lichterkette, weil sie irgendwie hübsch aussieht, vielleicht sogar
ein bisschen blinkt, aber letztens Endes Dekoration bleibt und zur Beleuchtung
nicht viel taugt. Eine alte Glühbirne deswegen, weil sie zwei Prozent Licht
spendet und 98% Wärme, und das alles mit einem sehr hohen und sicherlich
hinterfragbaren Energieaufwand und einem Draht, der vergleichsweise schnell
durchglüht.
Vielleicht wünschen sich manche Menschen eine Kirche, die eher wie
eine Taschenlampe ist: Handlich, praktikabel, bei Bedarf herauszuholen,
um bestimmte Punkte in der Umgebung gezielt anzuleuchten, und ansonsten im
Schrank oder im Handschuhfach gut aufgehoben.
Dagegen hat die Kirche sich selbst lange Zeit eher wie die Notbeleuchtung
in einem Flugzeug oder in einem Treppenhaus dargestellt: Hier geht es lang wenn
es brennt, und sonst nirgends.
Man könnte das Bild fast bis ins Unendliche weiterspinnen, könnte
zum Beispiel fragen, ob manche Entwicklungen der Kirche mit der Einführung der Energiesparlampen
vergleichbar wären: Es erscheint als das Gebot der Stunde, ist politisch
korrekt, die Lampen brauchen ein bisschen, um richtig hell zu werden, sind
ressourcenorientiert und pragmatisch (denn weitaus mehr Licht bei weitaus
weniger Wärme), aber sie sind und bleiben aus Glas und wenn das bricht, dann
offenbart sie ihr quecksilbergiftiges Innenleben, sind also nicht ganz so
unproblematisch, wie sie zunächst scheinen.
Was für eine Art von Licht will ich sein? Ich kann mir vorstellen,
dass ich mit zunehmendem Alter und zunehmendem Bedürfnis nach Echtheit sagen
würde: Eine Kerze, ein „lebendes Licht“, wie man auf Schwedisch sagt,
das wärmt und das flackert, also auf die Verhältnisse um sich herum reagiert
und Dinge in Brand setzen kann, also ein bisschen unberechenbar bleibt.
Im Moment würde ich sagen, wenn ich auf meine Arbeit in der
Gemeinde, aber auch in der Hochschule gucke: Ich möchte eine Leselampe
sein, möchte Teil einer Kirche sein, die so etwas ist. Eine Leselampe reicht
nicht aus, und ist auch gar nicht dazu da, den ganzen Raum zu erfüllen und jede
Ecke zu durchleuchten, man muss ein bisschen näher rangehen, um sie nutzen zu
können, aber sie lenkt den Blick auf das aufgeschlagene Buch, sie verführt zum
Lesen und lädt Menschen ein, in der Weite der Schrift eigene Erfahrungen zu
machen und das Wort lebendig werden zu sehen.
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